Zum Schreiben aufs Meer
Schriftsteller zog es schon immer auf das Wasser. Charles Dickens fuhr mit einem Postdampfer, Ernst Jünger bekämpfte seine Seekrankheit mit Whisky.
DÜSSELDORF Charles Dickens, Autor des„Oliver Twist“, machte sich 1842 auf den Weg zu einer Lesereise in die USA – an Bord eines Postdampfers. Er fühlte sich darauf wie in einem„gigantischen Leichenwagen“, schreibt er in seinen„American Notes“. Seine Kabine schildert er als „eine ganz und gar hoffnungslose und zutiefst lächerliche Schachtel“. Der Ärger schlägt ihm sogar auf den Magen. Oder ist es der Seegang? Nur mit Rotwein und Brandy weiß er sich während der Überfahrt zu trösten.
Auch Ernst Jünger kuriert mehr als 150 Jahre später auf der Überfahrt nach Asien seine Seekrankheit mit Whisky. In den ersten Kapiteln seiner Tagebücher „Siebzig Verweht“(1978) berichtet er davon. In Hamburg schwärmt er noch vom „Titanenreich“des Hafens. Auf dem Mittelmeer nimmt der Wind zu und der Magen verweigert den Dienst. Die Tage bis zur Ankunft in Singapur vertreibt er sich mit Lichten- bergs „Aphorismen“. Auf der Rückreise schenkt ihm der Kapitän eine Riesenschwimmwanze, schon geht Jünger an Bord auf Insektenjagd, um seine Käfersammlung zu vervollständigen.
Auch Nobelpreisträger Thomas Mann nutzte die Zeit auf See zur Lektüre, weil er den Rundgang auf dem Promenadendeck als„verdummend“empfand. Er las 1934 auf der Überfahrt mit dem Luxusliner „Volendam“nach Amerika im „Don Quijote“von Miguel de Cervan- tes. Eigentlich mag er ja das Meer. In Nida auf der Kurischen Nehrung hat er sich extra ein Haus bauen lassen, in dem er von 1930 bis 1932 den Sommer verbringt. Er schreibt dort seine Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“.
Als der Nationalsozialismus ihn selbst dort einholt und ihn mit der Post ein verkohltes Exemplar seines „Buddenbrooks“-Romanes erreicht, geht er ins amerikanische Exil und lässt sich in Pacific Palisades nieder. Auch am Meer.
Heinrich Heine dagegen liebte das Flanieren – etwa in den 1820er Jahren auf Helgoland. Er entdeckte nicht nur die Ähnlichkeit der weiblichen Badegäste mit„schöngebackenen Torten“. Der Dichter stellte auch gewagte Thesen auf. Etwa die, dass Insulanerinnen sich durch ihren „Fischgeruch“vor aufdringlichen Feriengästen zu schützen pflegten. Umso erstaunter gab sich Heine, wenn sie trotzdem „Kinder mit badegästlichen Gesichtern“zur Welt brachten.