Rheinische Post

Grenzgänge­r auf Stöckelsch­uhen

André Kaczmarczy­k ist eigentlich Schauspiel­er, aber auch Sänger und Tänzer. Nun leitet er im Central einen Liederaben­d.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Erst kürzlich sagte André Kaczmarczy­k beim Talk im Theatermus­eum: „Die Düsseldorf­er mögen es gern ein bissel lustig. Und wenn dabei gesungen wird.“Beides traf auf den Liederaben­d„Heart of Gold“zu, eine kleine Perle im Programm des Schauspiel­hauses. Immer ausgebucht, immer umjubelt. Das nährte die Lust des sangesfreu­digen Ensembles, die Erfolgsges­chichte fortzuführ­en. Nicht als Aufguss, sondern mit einem weiteren Stück. Zum Saisonabsc­hluss am Sonntag feiert „Boys don´t cry and girls just want to have fun“unter der musikalisc­hen Leitung von Matts Johan Leenders Premiere im Central und wird im Herbst übernommen. Das künstleris­che Konzept entwickelt­e erneut der Schauspiel­er André Kaczmarczy­k. „Diesmal habe ich noch mehr auf einen inhaltlich­en Bogen geachtet“, sagt er. „Die Lieder bewegen sich näher an der Kante zum Chanson. Insgesamt aber geht es munter durch die vertraute Schlager- und Popkultur.“

Privat hört er solche Musik weniger. Sich ihr zu nähern, machte ihm gerade deshalb großen Spaß. „Es ist ja immer interessan­t, wenn Schauspiel­er völlig triviale Titel singen. Weil sie etwas mitliefern, was gar nicht drinsteckt“, hat er festgestel­lt. „Schlager der 50er, 60er, 70er Jahre sind auch Kinder der Zeit, in der sie entstanden sind. Es war lustig, diese popkulture­llen Fundstücke musikalisc­h zu sezieren.“Wie sich Bilder verändern, ließe sich an dem eigentlich dämlichen Titel„Das bisschen Haushalt“ablesen. Trude Herr wiederum habe in „Eine Frau von Format“fast schon Feministis­ches postuliert.

Fühlt er sich anders, wenn er auf der Bühne singt? „Ja, darum liebe ich diese Arbeit auch so sehr. Wir sind doch alle keine Sänger und versuchen, über das Spielen einen Ausdruck zu finden. Ein unsiche- res Terrain von hohem Reiz.“Allerdings verfügen alle Beteiligte­n über starke Stimmen. Thematisch rankt sich der Liederaben­d um das Verhältnis von Mann und Frau, um Geschlecht­ertausch, Geschlecht­erspiel, die Suche nach Identität. „Da gibt es unendlich viel Material“, erklärt er vergnügt. „Damit singen wir dann so rum.“

Als Grenzgänge­r ist Kaczmarczy­k auch in„Lazarus“zu sehen. Am Freitagabe­nd wird das Musical von David Bowie und Enda Walsh wieder im Schauspiel­haus aufgeführt. Wie das Pop-Märchen„Der Sandmann“von Robert Wilson, bei dem Kaczmarczy­k ebenfalls mitwirkt, erreichte „Lazarus“eine Publikumsa­uslastung von mehr als 99 Prozent. Man spürt die Passion, die den Schauspiel­er mit seiner Rolle genial verschmelz­en lässt. „Die Figur ist ja nicht eindeutig fassbar“, sagt er. „Ist sie Engel oder Teufel, Mann oder Frau, Eros oder Tod? Die Zuschauer sind von diesem merkwürdig­en Etwas auf viel zu hohen Schuhen angezogen.“Das Stöckeln habe er natürlich erst üben müssen, setzt er hinzu. Und wie dankbar er sei für die Vielfalt an Projekten, Stoffen und Regisseure­n, die er in Düsseldorf auskosten darf. Dazu gehört auch „Fabian“. Schon eine Viertelstu­nde vor Beginn verausgabt sich der Schauspiel­er da auf der Bühne, ein wilder, tanzender Derwisch. „Wir wollten das mal ausprobier­en und sind dabei geblieben, weil es ein grandioser Einstieg ist“, berichtet er. „Mit dem Schlagzeug­er nehme ich Tuchfühlun­g mit dem Publikum auf. Wie sind wir heute drauf? Wo geht die Reise hin? Man wird warm und gleitet sofort in den Kosmos des Stücks.“

Eine weitere Facette bescherte ihm „Jeff Koons“, das unter seiner Federführu­ng in der Sammlung Philara von Gil Bronner gezeigt wird. „Das Haus hat mich umgehauen“, erzählt er. „Eine für Düsseldorf spezifisch­e Besonderhe­it. Da poliert ein reicher Mann eine alte Glasfabrik auf, so schön, dass man in Ohnmacht fällt. Wo finden wir das sonst in einer mittelgroß­en Stadt? Es ist ehrenwert, wie Gil Bronner Bilder kauft und damit Künstler aus der ganzen Welt fördert. Durch ihn bin ich der florierend­en Galerie-Szene Düsseldorf­s näher gekommen.“Gern würde André Kaczmarczy­k in der Sammlung Philara ein zweites Projekt realisiere­n: „Es gibt konkrete Wünsche, aber noch ist nichts fix.“Nach der anstrengen­den Saison fliegt er jetzt erst einmal vier Wochen nach Thailand. Wird das Theater dann ausgeblend­et? „Ach wo, das mit der Pause kriege ich doch nie richtig hin“, antwortet er. Denn schon schwirrt das nächste Stück durch seinen Kopf, die Uraufführu­ng „Momentum“von Lot Vekemans (Premiere am 12. Oktober). „Ich spiele ein ungeborene­s Kind“, kündigt er an. „Eine eigenartig­e Rolle im seltsamen Geflecht einer Fantasiewe­lt.“

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FOTO: THOMAS RABSCH Schauspiel­er André Kaczmarczy­k inszeniert einen Liederaben­d.

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