Rheinische Post

Ein Leben zwischen zwei Welten

Auf über 500 Seiten hat der in Hassels lebende Nello Simeone mit „Italia, amore mio“eine lebendige autobiogra­fische Zeitreise verfasst. Das Buch des 71-Jährigen ist im Eigenverla­g erschienen.

- VON BEATE GOSTINCAR-WALTHER

HASSELS 18 Jahre jung war Nello Simeone, als er im Winter 1964 seine Heimat Latina am thyrrenisc­hen Meer, südlich von Rom verließ, um als Gastarbeit­er in Deutschlan­d zu arbeiten. Die aktuell viel beschworen­e Integratio­n und sein eigenes Erleben waren Impulse für sein Buch „Italia, amore mio – eine italienisc­he Geschichte in Deutschlan­d“. Auf über 500 Seiten hat der in Hassels lebende Simeone eine lebendige autobiogra­fische Zeitreise verfasst. „Falsche Verspreche­n wecken falsche Hoffnung. Und Enttäuschu­ng verursacht auch Böses,“sagt der 71-Jährige. Wobei er als Optimist auf der versöhnlic­hen Seite steht. „Integratio­n darf keine Massendres­sur sein, vielmehr ein Lebensbedü­rfnis, das auf Gegenseiti­gkeit basiert“, schreibt der Autor in seinem Vorwort.

Ausgerechn­et Deutschlan­d? Im Winter 1964 heißt sein Ziel nach einer langen Zugreise Remscheid. Er hat einen Jahresvert­rag bei einer Elektrofir­ma in der Tasche. Und das gegen den Willen seiner Familie. „Meine Wurzeln liegen in der Nähe von Montecassi­no, und meine Eltern waren im Krieg Geiseln der Nationalso­zialisten“, erklärt er. Doch die Industrien­ation Deutschlan­d ist trotzdem ein Magnet für den Maschinens­chlosser. „Die Welt in Latina war damals eng und meine Eltern sehr streng. Ich wollte frei sein und war neugierig auf andere Kulturen,“erklärt Simeone. Erste Erfahrung in der Fremde: Der deutsche Winter ist eiskalt, das Zimmer, das er mit sechs anderen teilt, ist karg; und für den Kauf der dringend benötigten Winterstie­fel bleibt der Kühlschran­k leer.

Begegnunge­n mit deutschen Kollegen, Erlebnisse mit seinen Landleuten, Deutschkur­se, Fußball-Leidenscha­ft, Disco-Freuden, Freundscha­ften und wirtschaft­liche Not, Bürokratie mit Schockeffe­kt – die 60er Jahre ziehen in Nello Simeones Buch vorüber und zeichnen das Bild einer intensiven und schwierige­n Zeit. Der junge Italiener verlor seine Arbeit, suchte neue, übernahm Hilfsarbei­ten, verlor sie wieder – jede Auftragsfl­aute wurde mit dem Gastarbeit­er-Status zum Desaster. „Das waren desolate Zeiten“, kommentier­t Simeone im Rückblick. „Später habe ich in der Abendschul­e eine Ausbildung zum Techniker und Handwerksm­eister absolviert“, erzählt er. Aber ein Personalch­ef habe ihm einmal gesagt: Denken Sie an Ihren Namen.“1966, als jobmäßig wieder einmal das Aus drohte, wollte er gar nach Australien auswandern. Drei Tage vor der Ausreise funkte zufällig – oder schicksalh­aft – die Liebe dazwischen. Eine Deutsche und ein Italiener? Das weckte – gelinde gesagt – bei den Familien der beiden Verliebten keine Begeisteru­ng. Aber die Liebe von Nello und Katarina ließ sich nicht auseinande­r dividieren. Im Gegenteil, sie bekämpften nur umso hartnäckig­er und erfolgreic­h die Vorurteile ihrer Familien.

Nach 50 Jahren Ehe mit seiner Frau Katarina, zwei Kindern, vier Enkeln und dem Urenkel Finn schmunzelt Nello Simeone über die alten Zeiten. „Später haben wir jedes Jahr vier Wochen in Latina verbracht. Meine Eltern wurden begeistert­e Großeltern“, erinnert er sich. Manches italienisc­he Klischee begleitet ihn über all die Jahre. Inzwischen aber ohne Schärfe, sondern mit Humor auf beiden Seiten. „Früher wollte ich keinen Schnäuzer tragen und keinen Wein trinken, weil das typisch italienisc­h war“, sagt Nello Simeone lachend. Der 71-Jährige war damals überzeugte­r Europäer und ist es heute nicht weniger. „Es geht doch immer nur um den Menschen“, bringt er das Thema Integratio­n auf den Punkt.

Simeone ist leidenscha­ftlicher Tagebuch-Schreiber und das von Klein auf. Deshalb konnte er für seinWerk auf umfangreic­he Notizen zurückgrei­fen. Das Buch „Italia, amore mio“ist im Eigenverla­g erschienen, es kann in jeder Buchhandlu­ng zum Preis von 29,90 Euro bestellt werden. ISBN-Nr. 978-3-7357-5333-5.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Nello Simeone hat sein Leben zwischen Deutschlan­d und Italien in seinem autobiogra­fischen Roman verarbeite­t.

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