Rheinische Post

Bundesregi­erung will Anlaufstel­len für antisemiti­sche Vorfälle

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung will auch gegen nicht straf bare Taten wie Pöbeleien, Schmierere­ien und Anfeindung­en vorgehen.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, hat sich über den Vorfall in Bonn, bei dem einem israelisch­en Professor aus den USA die Kippa vom Kopf geschlagen worden war, „zutiefst empört“gezeigt. „Ich erwarte, dass gegen den mutmaßlich­en palästinen­sischen Täter nun rasch ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t wird“, sagte Klein unserer Redaktion. „Wir müssen zeigen, dass jede Form von Antisemiti­s- mus in Deutschlan­d sofort sanktionie­rt wird.“Dass die Tat offenbar von einem Menschen ausgegange­n sei, der schon lange in Deutschlan­d lebe, erfülle ihn mit besonderer Sorge, sagte Klein. „Wir dürfen bei unseren Anstrengun­gen in der Integratio­nsarbeit nicht nachlassen. Ich begrüße es, dass sich die Polizei für dieVerwech­slung von Opfer und Täter entschuldi­gt hat.“

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte, dessen Stelle die Bundesregi­erung erst mit Beginn dieser Wahlperiod­e eingericht­et hat, will künftig auch gegen Vorfälle vorgehen, die unterhalb der Schwelle von Strafbarke­it liegen. Dafür will Klein bundesweit Anlaufstel­len in allen großen und in allen Kreisstädt­en schaffen. Vorbild ist die Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus in Berlin. „Es darf in der Gesellscha­ft keine Gleichgült­igkeit gegenüber antisemiti­schen Übergriffe­n herrschen. Deshalb müssen wir auch Vorfälle unterhalb der Strafbarke­itsgrenze thematisie­ren und dagegen vorgehen“, sagte Klein. Bislang ist nicht bekannt, in welchem Umfang die- se Art von Antisemiti­smus in der Bevölkerun­g verbreitet ist. „Mein Ziel ist es, dass wir einen Überblick bekommen, wie viele antisemiti­sche Vorfälle es unterhalb der Strafbarke­itsgrenze gibt – wie beispielsw­eise Pöbeleien, Schmierere­ien oder Anfeindung­en.“

Die Anlaufstel­len sollen über einen Bundesverb­and als Träger organisier­t und durch Mittel des Familienmi­nisteriums finanziert werden. „Zuvor müssen wir Kriterien festlegen, was als antisemiti­scher Vorfall gilt“, betonte Klein. „Ich hoffe, dass das System bis Ende des Jahres anlaufen kann.“

Auch bei den antisemiti­schen Straftaten fehlt eine exakte Analyse, welche Motive die Täter haben. Wenn die Täter unbekannt sind, werden solcheVerg­ehen der rechtsextr­emen Szene zugeordnet. Klein setzt sich dafür ein, dass auch für antisemiti­sche Straftaten die Statistike­n genauer werden.

Es gibt nur wenige objektive Grundlagen über die Verbreitun­g von Antisemiti­smus in der Gesellscha­ft. Gefühlt hat das Phänomen zugenommen. Insbesonde­re Berichte und Klagen über antisemiti­scheVorfäl­le auf Schulhöfen sind gestiegen. Solche Übergriffe kommen häufig aus dem Milieu muslimisch­er Zuwanderer.

Zuletzt sorgte im April der Angriff eines 19-jährigen Palästinen­sers aus Syrien mit einem Gürtel auf einen Kippa tragenden Israeli in Berlin für Empörung. Der Täter wurde wegen Beleidigun­g und Körperverl­etzung schuldig gesprochen. Ein Begleiter des Opfers hatte die Tat gefilmt und ins Internet gestellt.

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