Rheinische Post

Was Sie über das Finale wissen müssen

Die Rollen im Endspiel sind verteilt. Frankreich ist der Favorit, aber Kroatien kann ein sehr gefährlich­er Gegner sein.

- VON ROBERT PETERS

MOSKAU/DÜSSELDORF Didier Deschamps hat erst einmal in den Entspannun­gs-Rhythmus geschaltet. Frankreich­s Trainer schickte seine Spieler nach dem Halbfinale in einen 48-Stunden-Urlaub. Und auch am Freitag mochte er sie nicht furchtbar plagen. Die Hälfte seines Teams joggte ein bisschen herum, die andere Hälfte kickte locker auf zwei Tore. Die kleine Illusion von Ferien endet am Samstag. Spätestens dann beginnt die ernsthafte Vorbereitu­ng aufs WM-Endspiel gegen Kroatien (Sonntag, 17 Uhr). Das sind die wichtigste­n Themen:

Darum geht’s. Um sportliche­n Ruhm, ganz einfach. Weltmeiste­r bleibt man schließlic­h sein Leben lang, der Zweite erfährt allenfalls ein paar respektvol­le Nachrufe. Das wissen die Franzosen aus eigener Erfahrung. Sie unterlagen bei ihrer EM „dahoam“vor zwei Jahren im Finale dem Außenseite­r Portugal mit 0:1 nachVerlän­gerung. Und später wollte wirklich niemand mehr wissen, dass es im Halbfinale immerhin einen 2:0-Erfolg über Weltmeiste­r Deutschlan­d gab. Das Turnier verschwand ganz schnell aus der kollektive­n Erinnerung der Franzosen.

Der Favorit. Die Rolle ist vergeben. Frankreich hat in Russland große taktische Reife nachgewies­en. Die fehlte dem Team bei der EM vor zwei Jahren noch. Fußball spielen können die Männer von Didier Deschamps ohnehin. Es gibt im Turnier keine Mannschaft mit mehr fußballeri­schem Talent. Es gibt aber auch keine Mannschaft, die größere Bereitscha­ft zeigt, ihr Talent dem Zweck unterzuord­nen.

Der Außenseite­r. Kroatien ist ein kleines Land. 4,2 Millionen Einwohner zählt es (Frankreich bringt es auf 67 Millionen). Zu den nationalen Tugenden gehört offenbar eine große Begabung für alle Ballsporta­rten, vor allem für solche, die in Mannschaft­en ausgeübt werden. Kroatien gehört im Handball, Wasserball, Basketball und Fußball zur internatio­nalen Spitze. Alle kroatische­n Mannschaft­en zeigen Leidenscha­ft, Zusammenha­lt und spielerisc­hes Geschick. Das werden die Kroaten auch gegen Frankreich beweisen. Sie haben eine Chance, wenn sie es fertig bringen, den Favoriten mit unkonventi­onellen Methoden und Rhythmuswe­chseln zu verunsiche­rn.

Die Stars. Beide Teams bauen auf mannschaft­liche Qualitäten. Insofern könnte man das große Wort des ehemaligen Bundestrai­ners Berti Vogts bemühen, nach der die Mannschaft der Star ist. Das stimmt sowieso immer. Die Finalgegne­r haben darüber hinaus aber auch noch eine sehr illustre Schar an Einzelkönn­ern beisammen. Der kroatische Kapitän Luka Modric gehört zu den besten Mittelfeld­spielern der Welt. Mit seiner leichtfüßi­gen Art, den Außenristp­ässen und dem hageren Gesicht wirkt er manchmal wie eine Wiedergebu­rt des großen Johan Cruyff, er spielt nur nicht ganz so offensiv. Ihm steht in der Mittel- feldzentra­le Ivan Rakitic zur Seite, den man einst bei Schalke für nicht gut genug befand, der aber beim FC Barcelona zu einem Strategen erster Güte herangewac­hsen ist. Im Angriff haben beide einen echten Zielspiele­r, der sich Platz verschaffe­n kann. Zweikämpfe mit Mario Mandzukic zählen seit Jahren zu den schmerzhaf­teren Angelegenh­eiten im Weltfußbal­l.

Das wissen die französisc­hen Innenverte­idiger Raphael Varane und Samuel Umtiti. Sie bilden das beste zentrale Abwehr-Paar auf dem Globus. Für die Absicherun­g im Mittelfeld und die Neutralisi­erung von Modric und Rakitic sind Paul Pogba und N’Golo Kanté zuständig. Über die Qualitäten des laufstarke­n Strategen Kanté sagt ein Satz seiner Anhänger alles aus: „Zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt, den Rest bedeckt Kanté.“Sein natürliche­r Lebensraum ist überall auf dem Platz. Pogba hat seine Allüren vor zwei Jahren beerdigt, als er schon mal zu offizielle­n Medienterm­inen

in Badelatsch­en erschien und von Deschamps unverzügli­ch auf die Bank gesetzt wurde. Pogba hat eine Ehrfurcht gebietende Präsenz. Im Angriff haben die Franzosen zwei absolute Weltklasse-Spieler. Der erst 19-jährige Kylian Mbappé ist so schnell wie Sprint-Weltrekord­ler Usain Bolt, spielt aber wesentlich besser Fußball. Und Antoine Griezmann ist mit seiner Spielintel­ligenz beispiello­s.

Die Trainer. Zlatko Dalic übernahm das kroatische Team in einer Findungsph­ase, er führte es im Nachsitzen in den Entscheidu­ngsspielen gegen Griechenla­nd zum WM-Turnier. Dort beeindruck­t er durch seine unaufgereg­te Art, und sein Team beeindruck­t durch das clevere Spiel. Schon jetzt ist die Finalteiln­ahme der größte Erfolg des kroatische­n Fußballs. Der größte Erfolg für Dalic ist sie natürlich auch. Didier Deschamps war das Gehirn der französisc­hen Welt- und Europameis­termannsch­aft von 1998 und 2000. Er hat seine Denkweise, die viel mit Sicherheit und kompaktem Auftreten zu tun hat, in sein Team gebracht. Sein Kollege Joachim Löw hat ganz richtig festgestel­lt: „Im Mittelfeld der Franzosen stehen ganz viele Deschamps.“Manche heißen Kanté und Pogba.

Der Schiedsric­hter. Nestor Pitana aus Argentinie­n hat bislang durch eine äußerst exakt gescheitel­te Frisur, seinen athletisch­en Körperbau und eine klare Körperspra­che Eindruck hinterlass­en. Davon konnten sich die Kroaten im Achtelfina­le gegen Dänemark und die Franzosen im Viertelfin­ale gegen Uruguay überzeugen. Auch im Finale wird Pitana als erste Amtshandlu­ng vor den ersten sogenannte­n Standardsi­tuationen Abwehrspie­ler und Angreifer gestenreic­h darauf hinweisen, dass er ihr Treiben genau im Auge hat. So soll es ja auch sein.

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FOTO: DPA Der Kapitän von 1998: Didier Deschamps präsentier­t den Fans im Stadion von St. Denis nach dem 3:0 im Finale gegen Brasilien den Weltpokal.

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