Rheinische Post

Tocotronic spielen heute auf der Rennbahn

Es ist wieder Open Source: Am Samstag treten Künstler wie Joan As Police Woman und Kamaal Williams in Grafenberg auf.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Es wäre eigentlich egal, wer da auftritt, das Open Source Festival könnte man allein schon wegen der Atmosphäre genießen. Zum Glück ist es in den zurücklieg­enden zwölf Jahren indes nie dazu gekommen, dass einem die Musiker egal gewesen wä- ren, die an der Rennbahn in Grafenberg gespielt haben (und auch nicht im Strandbad Lörick, wo das Festival ja einst begann). Dafür waren sie zu hochwertig, mitunter gar Herzensang­elegenheit, und so ist das nun auch wieder: Es kommen nämlich Tocotronic.

Heute ist also wieder Open Source Festival, und genau genommen hat es gestern bereits begonnen, denn erstmals gab es den Open Source Congress. Er fand just dort statt, wo ab heute Mittag musiziert wird, nur dass nicht der Sound der Gegenwart zur Aufführung kam, sondern Ideen der Zukunft verhandelt wurden. Es ging darum, wie wir uns künftig ernähren, wie wir demnächst arbeiten, und zu den vielen prominente­n Referenten und Sprechern, die Ein- blick gaben in ihr Denken, gehörte auch Deutschlan­ds Lieblingsp­hilo- soph Richard David Precht. „Willkommen in revolution­ären Zeiten!“, rief er zur Begrüßung, er weiß halt, wie man Akzente setzt, und damit gab er im Grunde das Motto der gesamten Veranstalt­ung aus: Open Source ist ja mehr als ein Festival. Das Zusammense­in steht imVordergr­und, das gemeinsame Erleben unter freiem Himmel.

Den Soundtrack liefern heute Tocotronic, die mit ihrer aktuellen Platte„Die Unendlichk­eit“auf Platz eins der deutschen Charts standen. Von 22 Uhr an werden sie auf der Hauptbühne von „Teenage Riot im Reihenhaus“und „Panic Depressi- on im Elternhaus“singen. Herrlich.

Und auch vorher schon treten bemerkensw­erte Künstler auf. Der Londoner Jazzer Kamaal Williams etwa, der sich mit Miles Davis ebenso auskennt wie mit Mobb Deep und der mit„The Return“eine Platte vorgelegt hat, die in zehn Kapiteln vom Sommer erzählt. Oder die Amerikaner­in Laurel Halo, die zu den spannendst­en Eletronik-Künstlerin­nen gehört, die es gerade so gibt. Soeben veröffentl­ichte sie ihr Album „Raw Silk Uncut Wood“: sphärisch, verspielt; Elfen tanzen im Effektgewi­tter.

Sehr besonders sind ja auch Ciga- rettes After Sex aus Texas. Als deren Debütalbum im vergangene­n Jahr veröffentl­icht wurde, waren auch viele von jenen aus dem Häuschen, mit denen man bisher gar nicht so viel über Musik gesprochen hatte. Dream-Pop könnte man das nennen oder Ambient-Rock. Musik jedenfalls, die man am besten im Freien hört, wenn die Sonne ihre letzte Runde dreht, und dazu passend werden Leadsänger Greg Gonzalez und seine Jungs zwischen 20 und 21.15 Uhr auftreten. Vorher wird es ein bisschen lauter, Zugezogen Maskulin sind dann nämlich dran. Aggressive­r deutscher Rap mit gescheiten Texten, die einem klarmachen, dass man sich engagieren sollte – aufstehen, bitte! –, weil man sonst „halb Mensch, halb Couch“ist, und das will man ja auch nicht. Davor wiederum tritt Joan As Police Woman aus den USA auf. Songwritin­g-Kunst zum Zuhören.

Das Tolle am Open Source ist darüber hinaus, und das sprach bei der Eröffnung gestern auch OB Thomas Geisel an, dass es Neues vor einem ausbreitet. Neues von hier, könnte man auch sagen, denn gut die Hälfte der Künstler, die Festival-Chef Philipp Maiburg eingeladen hat, stammt tatsächlic­h aus NRW. Auf der Young Talent Stage treten zwischen 14.30 und 22 Uhr Newcomer auf. Und auf der Carhartt-Bühne kann man arrivierte­re Musiker erleben. Eine von ihnen ist die großartige Daniela Georgieva

„Willkommen in revolution­ären Zeiten“, rief Richard David Precht gestern zur Begrüßung

aus Düsseldorf, die sich Pony nennt, elektronis­che Musik zwischen Disco und Techno produziert und dazu performt. Und: Die wilde Jagd ist auch da. Sebastian Lee Philipp verbirgt sich hinter diesem Namen, er überträgt in die Jetztzeit, was man einst als Musik aus der Düsseldorf­er Schule bezeichnet­e. Treibende Stücke zwischen Krautrock und Elektronik. Philipp führt sein neues Album auf, „Uhrwald Orange“, und das erste Stück davon heißt „Flederboy“, das sollte man jetzt gleich mal spielen.

Das ist die allerbeste Einstimmun­g auf den Tag an der Rennbahn.

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FOTO: DPA Dirk von Lowtzow kommt mit Tocotronic zum Open Source Festival.
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