Zuhause sein ist gar nicht so leicht
Im Schauspielhaus wurde über den wieder sehr aktuellen Heimat-Begriff diskutiert.
„Es ist mir ein persönliches Anliegen zu sagen: Es ist doch schön hier“. So stieg die Religionspädagogin und Buchautorin Lamya Kaddor in den NRW-Dialog des Schauspielhauses zum Thema „Was bedeutet Heimat?“ein.
Kaddor ist Muslimin und Heimatbotschafterin des Landes NRW. Es gibt Menschen, die sich an dieser Tatsache stoßen, weil sie wie Bundesheimatminister Horst Seehofer meinen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Es gibt Menschen, denen nicht gefällt, dass sich die in Westfalen geborene Tochter syrischer Einwanderer in das politische Geschehen des Landes einmischt, etwa in ihrem Buch „Die Zerreißprobe“die Forderung aufstellt, dass beim Thema Integration auch die in Deutschland lebende Mehrheit eine Bringschuld habe. Dafür wurde sie so stark bedroht, dass sie ihrem Beruf als Lehrerin nicht mehr nachgehen konnte und unter Polizeischutz steht.
Der Theaterautor Lars Werner, der neben Lamya Kaddor auf der Kleinen Bühne im Central diskutierte, hatte allerdings etwas anderes zu kritisieren: Die „Liebeserklärung an die deutsche Heimat“, die Kaddor als Teil ihrer Online-Kolumne verfasste, war ihm zu naiv-verklärend. Vor allem dieser Satz kam ihm zynisch vor: „Den allermeisten Deiner Bürger geht es wirtschaftlich gut, um alle anderen bemühst Du dich redlich.“
So eröffnete die Debatte allein durch die Auswahl der Diskutanten den Diskursraum. Anlass, über das Thema zu diskutieren, war die Renaissance des Heimat-Begriffs: Nordrhein-Westfalen, Bayern und der Bund haben jetzt wieder ein Heimat-Ministerium. Horst Seehofer hält den Begriff für weniger vorbelastet als „Nation“oder „Leitkultur“. Lars Werner glaubte jedoch, dass der Minister versuche, darunter dieselben Debatten fortzuführen, auch „Heimat“exklusiv zu definieren. „Warum kann man nicht einfach von ‚Zuhause sein‘ sprechen? Das kann man nämlich auch in Ideen und Konzepten. Man kann solidarisch sein, sich supporten, internationale Gemeinschaften bilden.“
In gewisser Weise deckte sich dieses Konzept mit Lamya Kaddors Definition „Heimat – ein Ort ohne Grenzen“. „Eine gewisse Basis brauchen wir schon“, befand sie allerdings. Das könnten die frei- heitlich-demokratische Verfassung sein oder die humanistischen Werte. „Aber es darf nicht sein, dass man Hochdeutsch sprechen muss und eine bestimmte Hautfarbe haben, um sich hier heimisch zu fühlen. Ich will nicht, dass in 20 Jahren noch darüber diskutiert wird, woher ein Mensch‚eigentlich’ kommt.“
Zu einem Konsens fand die Diskussion nicht. Eine Besucherin gab zu denken: „Heimat ist ein privater und kein politischer Begriff. Man muss ihn planetar denken.“Dazu konstatierte Kaddor: „Ich habe meine Hoffnung auf die Menschheit in diesem Punkt aufgegeben und bin schon froh, dass wir uns nicht wieder abschotten.“Und Werner: „Machen wir doch längst!“