Radverleih will Kunden erziehen
Nachlässige Fahrradfahrer müssen draufzahlen – ein fragwürdiges System.
In Düsseldorf stehen sie derzeit an jeder Ecke: Die orangefarbenen Billigräder des chinesischen Fahrradverleihs Mobike. Die fahren sich bequemer als erwartet und sind so günstig, dass es sich für mich kaum lohnt, mein altes Hollandrad zur Reparatur zu bringen. Als ich am Wochenende mit meinem Mobike zur Rheinkirmes geradelt bin, kam beim Abstellen eine SMS: Ich müsste fünf Euro Strafe zahlen, weil Oberkassel außerhalb des Geschäftsgebiets liegt. Wenn ich aber ein außerhalb geparktes Mobike wieder zurückbringe, erhalte ich fünf Euro zurück.
Auf den ersten Blick ein smartes System, auf den zweiten Blick ein zwei- felhaftes: Mobike gewöhnt die Nutzer gerade an ein neues Bewertungssystem. Gesammelte Daten verraten, ob der Nutzer sich an Verkehrsregeln hält, ordentlich parkt und die Fahrräder gut behandelt. Wer sehr gut fährt, kann auf Vergünstigungen hoffen. Mobike bereitet aber auch vor, dass Nutzer mit einer extrem negativen Bewertung künftig ein Hundertfaches für die Fahrt bezahlen müssen. Das erinnert an das Sozialkredit-System in China, das ab 2020 verpflichtend gilt. Jeder Bürger erhält eine eigene Bewertung, die nicht nur auf Kreditwürdigkeit und Bußgeldern basiert, sondern auch auf „persönlichem Verhalten“. Als Grundlage dienen die Da- ten von Behörden und Unternehmen. Wer eine sehr schlechte Bewertung hat, kann beispielsweise keine Zugoder Flugtickets mehr kaufen. Düstere Science-Fiction wird hier Realität. Wollen wir so etwas auch bei uns? Dass Mobike Daten nutzt, um gute Kunden zu belohnen und Randalierer auszuschließen, ist nachvollziehbar. Die Grenze ist für mich überschritten, wenn Nutzer aufgefordert werden, das schlechte Parkverhalten anderer zu melden, um die eigene Bewertung zu verbessern. Zeit, dass ich mein eigenes Rad zur Reparatur bringe.
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