Rutsche zum Spielbrunnen
Die Bundeskunsthalle in Bonn zeichnet die Kulturgeschichte des Spielplatzes nach. Höhepunkt der Schau aber ist der Spielplatz vor dem Haus und auf dem Dach.
BONN Diese Ausstellung können Sie sorglos besuchen: Die Exponate sind geprüft und durch den TÜV Rheinland freigegeben. So ist es gleich am Eingang zu lesen, ergänzt durch einen der schönsten deutschen Sätze überhaupt: „Eltern haften für Ihre Kinder.“Die Bundeskunsthalle geht auf Nummer sicher.
Dort ist nun eine zweigeteilte Ausstellung zu sehen, sie heißt „The Playground Project“und findet „Indoor“und„Outdoor“statt. Drinnen werden Schlaglichter auf die Kulturgeschichte des Spielplatzes geworfen, draußen tobt der Bär. Für den Vorplatz des Bonner Ausstellungshauses hat der Künstler Michel Majerus eine Halfpipe für Skateboarder und BMX-Radfahrer gestaltet. Die Dimensionen der Rampe überblickt man erst, wenn man sich auf das Dach des Hauses begibt. Oben angekommen sieht man sich dann einer Installation aus Dreisitzer-Schaukeln gegenüber. Die Künstlergruppe Superflex hat das Werk mit dem schönen Titel „One Two Three Swing!“entwickelt.Wenn eine der Schaukeln in Schwingung versetzt wird – was besser gemeinsam gelingt, als allein –, gerät das gesamte Gebilde in Bewegung.
14 Künstler hat die Bundeskunsthalle eingeladen, Gerätschaften für den Spielplatz zu gestalten. Die meisten der Entwürfe sind nun auf dem Dach des Hauses versammelt, darunter auch Olafur Eliassons „The collectivity project“: drei Tische voller weißer Legosteine, mit denen gebaut und von anderen Besuchern weitergebaut werden soll. In einem Seecontainer ist eine Karaokebar eingerichtet, und Jeppe Hein hat sechs Bänke aufstellen lassen, die mal mehr und mal weniger zum Verweilen einladen. Eine Sitzfläche ist zum Zickzack geformt, die nächste im Bogen.
Runter vom Dach kommt man am schnellsten mit der Rutsche. Carsten Höller hat die knapp 14 Meter Hohe und gut 35 Meter lange Skulptur „Bonner Rutschbahn“angelegt. Sie soll auch nach dem Ausstellungsende im Oktober bleiben. Gleich neben dem Haupteingang spuckt die Röhre einen aus.
Sein Haus erlebbar machen – das möchte Intendant ReinWolfs grundsätzlich und mit der Schau im Speziellen. Das gelingt sehr gut im Außenbereich, der eigentlich nur als Erweiterung gedacht war. Die eigentliche Ausstellung im Inneren bleibt im Vergleich aber blass. Fotografien und Kleinstmodelle aus der Spielplatz-Geschichte sind dort neben einigen Original-Geräten ausgebreitet. Man erfährt, dass Spiel- plätze Anfang des 20. Jahrhunderts herumlungernde Kinder von der Straße holen sollten und schon ab den 1930ern der Abenteuerspielplatz an Bedeutung gewann. In Deutschland allerdings dauerte es bis in die 60er Jahre, bis man Kindern zutraute, ihre Spielflächen eigenmächtig zu gestalten. Auf Initiative von Eltern-Kind-Gruppen eröffnete 1967 im Märkischen Viertel, der berühmten Plattenbau-Siedlung in Berlin, ein erster Abenteuerspielplatz. Motto: „Wo verbieten verboten ist.“
Überraschende Erkenntnis: Das auch hierzulande beliebte, aus Seilen bestehende, spinnennetzartige Klettergerüst wurde von einem Profiboxer erfunden, der zugleich Bildhauer war. Spielerisch aber lernt man in diesem Teil der Ausstellung nichts, und warum welches Exponat ausgewählt wurde, bleibt oftmals unklar. In der Mitte des Ausstellungsraumes krümmt sich ein Röhrenungetüm, der „Lozziwurm“. Bei schlechtem Wetter könnte die Röhre immerhin zur Attraktion avancieren.
Publikumsliebling bei Sonnenschein ist anscheinend schon der Springbrunnen, den der dänische Bildhauer Jeppe Hein, neben seinen Sitzbänken, auf den Vorplatz gestellt hat. Die Installation türmt Wasser zu Wänden auf. Dazwischen findet man allein oder in kleinen Gruppen Platz. „Betreten erwünscht“, steht auf einem Hinweisschild.„Bitte beachten Sie, dass sie möglicherweise nass werden können.“