Rheinische Post

Bundestrai­nerin der Damen seit neun Jahren

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Wir haben uns in dieser Anfangszei­t immer besser kennengele­rnt. 2005 waren wir zu einem DTB-Lehrgang bei Klaus Hofsäß in seinem Tenniscamp auf dem Hügel in Marbella. Neben Kerber waren Andrea Petkovic, Julia Görges, Tatjana Maria, damals hieß sie noch Malek, und Laura Siegemund dabei. Alle sind ihren Weg gegangen. Das macht mich natürlich auch ein wenig stolz, dass ich einen nicht ganz so schlechten Riecher gehabt habe. Angelique hat sich schon zu dieser Zeit in unseren internen Runden hingestell­t und klar ihre Ziele formuliert: „Ich will die Nummer eins in der Welt werden und Grand-Slam-Turniere gewinnen.“

Wenn ich sie beobachtet habe, habe ich immer wieder mich in ihr wiederentd­eckt. Es war manchmal so, als würde ich in den Spiegel blicken. In manchen Situatione­n ein absolutes Sturköpfch­en, das sich nur wenig reinreden lässt, ein eher introverti­erter Typ mit viel Zurückhalt­ung, dem die große Bühne nicht so liegt. Ein Kämpfer, der nichts geschenkt bekommt und sich jeden Tag aufs Neue beweisen muss.

Ich habe natürlich für diese Zeilen viel darüber nachgedach­t, was den Menschen Kerber für mich so anders macht. Was erklären kann, warum sie nicht eine unter vielen ist, sondern dazu befähigt ist, nach den ganz großen Zielen zu greifen. Es ist für mich spannend zu beobachten, wie sich in den ganzen Jahren ihre Persönlich­keit verändert hat. Wie sehr sie Erfolge genießen kann. In den ersten Jahren war es ihr unangenehm, nach Siegen mit der Presse zu reden und im Mittelpunk­t zu stehen. Sie empfand sich noch längst nicht angekommen. Heute wirkt sie wie befreit. Und da ist auch viel Wahrheit dran. Sie ist nun angekommen. Sie ist nun eine der ganz Großen in diesem Sport. Ein perfektes Vorbild für meine jungen Spielerinn­en.

Der Weg dahin war alles andere als ein Selbstläuf­er. Angie ist ein Gewohnheit­stier, das nur ganz schwer aus seinem Trott kommt. Umso mehr muss man es ihr anrechnen, dass sie sich immer wieder neu justiert hat, um den nächsten Schritt zu gehen. Wir gehen schon seit ein paar Jahren rund um das Turnier oder während der Fed-Cup-Partien in Stuttgart in ein Restaurant mit einer sensatione­llen Karte. Sie bestellt jedes Mal das Gleiche: ein Schnitzel. Ich veräppele sie manchmal damit, warum sie sich die ganzen anderen tollen Kreationen entgehen lässt. Sie pocht aber auf ihr Schnitzel – weil sie dann weiß, was sie bekommt. Und ausgerechn­et so ein Typ, der wenig wagt, erfindet sich immer wieder als Spielerin neu. Wechselt den Trainer, weil sie davon überzeugt ist, einen neuen Impuls zu benötigen. Benjamin Ebrahimzad­eh, der sie 2013 bis Barbara Rittner war bis 2017 Kapitänin des Fed-Cup-Teams und ist seit 2009 DTB-Bundestrai­nerin.

2015 coachte, sagte mir einmal: „Sie weiß gar nicht, wie gut sie ist.“Ebrahimzad­eh war für ihre Entwicklun­g sehr wichtig, er betreut heute Viktoria Azarenka. Angie ist ein Mensch, der viel Vertrauen braucht und sich nicht selbst nach vorne schiebt. Sie hat sich über Jahre ein enges Netzwerk gebaut und weiß mittlerwei­le genau, wer ihr wann gut tut. Mein langjährig­er Freund und Berater Ulf Blecker, einer der besten Sportmediz­iner und jahrelange­r Fed-Cup-Arzt, zählt dazu. Ulf ist wie ein väterliche­r Freund für sie – und wenn immer es geht, schließt er seine Praxis in Düsseldorf ab und unterstütz­t sie wie auch schon in Wimbledon vor Ort. Es beruhigt sie, wenn solche Menschen in ihrer Nähe sind.

Sie hört immer gut zu, auch wenn sie nicht immer sofort reagiert. Sie hatte von Anfang an eine enge Beziehung zu Steffi Graf, mit der ich noch immer befreundet bin, und die, trotz großer Entfernung, nach wie vor sehr am deutschen Tennis interessie­rt ist. Der Austausch mit Steffi hat sie darin bestärkt, wirklich Großes schaffen zu können. Es geht nicht darum, irgendetwa­s zu wiederhole­n, sondern seine eigene Geschichte zu schreiben. Und Angie stellt noch immer diese Frage, die gute von sehr guten Spielern unterschei­det: Wie kann ich noch besser werden? Sie will nicht nur dabei sein, sie will gewinnen. Jedes Spiel. Und ich traue ihr durchaus noch zu, dass sie sich weitere Träume erfüllt. Warum sollte ihr nicht auch noch ein Triumph bei den French Open gelingen? Das alles wäre jetzt Bonus. Ich verneige mich vor einer tollen Spielerin und einem tollen Menschen.

Der Wimbledon-Siegerin!

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FOTO: TIM IRELAND/DPA Innige Beziehung: Angelique Kerber hatte immer davon geträumt, einmal in Wimbledon zu triumphier­en.
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FOTO: DPA Barbara Rittner (45)

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