Rheinische Post

Lentz kämpft für einen sauberen Rhein

Der Dreck-Weg-Organisato­r und sein Team wollen das Ufer von der Quelle bis zur Mündung aufräumen.

- NICOLE KAMPE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Lentz. Die Düsseldorf­er kennen Sie von der Initiative ProDüsseld­orf. Sie haben unzählige Male den Dreck-weg-Tag organisier­t, sind also ein Experte beim Thema Stadtsaube­rkeit. Jetzt mal ehrlich: Wie oft ärgern Sie sich über Müll? Ingo Lentz Eigentlich jeden Tag. Man fährt an einem Container vorbei und fragt sich, ob es sein muss, dass wieder Kartons und Unrat drumherum stehen. Mit der Zeit bekommt man aber auch einen Blick dafür. Schauen Sie sich die Straßen mit den Flecken an, es gibt Leute, die glauben, der Asphalt sei gemustert. Aber es sind Kaugummis. Das ist ohnehin ein ganz spezielles Thema.

Haben wir zu wenig Mülleimer? Lentz Die Awista, das haben wir gerade am Paradiesst­rand gesehen, reagiert umgehend, wenn es Probleme gibt. Dort fehlten lange Mülleimer, jetzt stehen alle 200 Meter Container.

Werden die genutzt?

Lentz Die sind alle voll. Das Schlimme ist, es gibt trotzdem noch jede Menge Griller, die ihren Müll liegenlass­en. Das ist unglaublic­h. Ohne Druck bewegt sich nichts. Das ist ein Spruch, der mir von der Druck-Messe Drupa in Erinnerung geblieben ist, auch wenn er da in einem anderen Zusammenha­ng stand.

Wir haben also genug Container? Lentz Naja, durch den ganzen Internet-Versandhan­del haben wir sehr viel mehr Verpackung­en. Städte müssen reagieren, noch mehr Container aufstellen. Das geht aber nicht von heute auf morgen.

Und dort, wo noch Mülleimer fehlen, kommen Sie einmal im Jahr, organisier­en den Dreck-weg-Tag und sammeln das auf, was liegen geblieben ist.

Lentz Dazu kann ich eine nette Geschichte erzählen. Im vergangene­n Jahr im Dezember gab es eine Podiumsdis­kussion bei den Jonges zum Thema Stadtsaube­rkeit. Da waren Oberbürger­meister Thomas Geisel, Rüdiger Gutt von der CDU und Peter Ehler von der Awista. Stadtsaube­rkeit war plötzlich das zentrale Thema in Düsseldorf. Am Ende stellte man uns die Frage, was ProDüsseld­orf tun will, um die Stadt sauberer zu bekommen. Und ich verwies gleich auf den Dreck-weg-Tag.

Der ja auch stattgefun­den hat im Frühjahr.

Lentz Richtig. Der 20. Gleichzeit­ig dachte ich: Verdammt, 20 Dreckweg-Tage, die punktuell wirken, die aber nicht nachhaltig sind. Das kann es nicht sein. Da muss mehr kommen.

Hatten Sie zu dem Zeitpunkt schon eine konkrete Idee?

Lentz Erstmal nicht. Dann kam der nächste Dreck-weg-Tag, bei dem ja immer viele Düsseldorf­er geholfen haben.Wir hatten schon mal 14.000 Teilnehmer, dieses Jahr, bedingt durch das Wetter, waren es 8000. Aufgefalle­n war mir in den letzten zwei, drei Jahren, dass sich immer mehr junge Leute engagieren, die anrufen, die mehr machen wollen. Das kannte ich von früher nicht. Auf der anderen Seite haben wir 600.000 Einwohner, 10.000 machen mit. Das ist nur ein ganz kleiner Teil. Obwohl es in und um Düsseldorf viele kleine Gruppen gibt, die Müll sammeln.

Sie wollten also größer denken? Lentz Genau. Die Niederländ­er sind sehr sauber, ich fahre da gerne Fahrrad. Und Thomas de Groote – er ist Flame und inzwischen der Projektlei­ter der Aktion – hat gute Kontakte in die Niederland­e. Er wollte etwas unter dem Motto Rhine Cleanup machen. Da kam mir spontan die Idee, das Rheinufer von der Quelle bis zur Mündung zu säubern.

Sehr ambitionie­rt, wie sind Sie das angegangen?

Lentz Da hat mir der Dreck-wegTag schon geholfen. Man muss die Umweltämte­r haben, die Entsorgung­sbetriebe, Kleingarte­nanlagen, Sportverei­ne, Schützen, Jon- ges und Lions. Alle, die mitmachen und etwas Gutes tun wollen. Wir werden Einladunge­n verschicke­n an Schulen, Wasserspor­t-Vereine – Rudern, Kajak, Surfen, Tauchen – Walking-Gruppen, Unis, Studenteng­ruppen und Pfadfinder. Das ist eine sehr kleinteili­ge Arbeit und kostet. Zum Glück haben wir hier für unsere Düsseldorf­er Beteiligun­g einen guten Sponsor, die PSD-Bank.

Haben Sie denn mal überschlag­en, in wie vielen Städten sie wie viele Vereine und Organisati­onen ansprechen müssten, um den Rhein von den Alpen bis in die Nordsee aufzuräume­n?

Lentz Ich habe die Städte aufgeschri­eben, die am Rhein liegen. Da bin ich auf knapp 100 gekommen. Die ganz kleinen Dörfer habe ich mal rausgelass­en.

Da würden Sie sich ja die Finger wund telefonier­en und schreiben, wenn Sie jeden Verein und Club kontaktier­en.

Lentz In drei Ländern zehn Gruppen á zehn Leute zu haben, wäre eine schöne Basis. Der Schwerpunk­t soll auf den Großstädte­n liegen. Wir sollten nicht anfangen und mit Zauberzahl­en arbeiten. Entweder kommt es von selber, das kann ganz schnell gehen. Es kann sogar sein, dass wir im September über die 100 lachen. Wir wollen aber realistisc­h bleiben und uns nicht zu viel vornehmen.

Sie sind rund um Düsseldorf gut vernetzt, haben einen Belgier im Boot, der Kontakte in die Niederland­e hat. Aber wie wollen Sie die Leute am Oberrhein erreichen? Lentz Da ist Joachim Umbach, der früher Chefredakt­eur der Schwäbisch­en Zeitung war, der die Idee gleich toll fand und der viele offene Türen einrannte mit dem Projekt. Und so habe ich es bisher auch erlebt.

Gibt es Beispiele?

Lentz In Duisburg habe ich mit einem Verein telefonier­t, ProDuisbur­g, der ähnlich gestrickt ist wie wir, also neutral, ohne politische Richtung. Und die haben gleich Kontakt aufgenomme­n mit dem Verein Sauberes Duisburg.

Am 15. September soll die Aufräum-Aktion stattfinde­n. Wie genau sieht der Tag aus?

Lentz Die Planung wird noch viel Zeit beanspruch­en. Drei Gruppen haben schon zugesagt. Jetzt müssen wir sehen, dass wir weitere Vereine und Entsorgung­sbetriebe für den Samstag haben. Wir könnten uns vorstellen, dass die Sammelakti­on zwischen 10 und 13 Uhr ist. Fünf Stunden sammelt erfahrungs­gemäß keiner. Aber was in zwei, drei Stunden alles zusammenko­mmt, das ist erstaunlic­h.

Was war denn das Skurrilste, das Sie bisher gefunden haben?

Lentz Als wir den Rollstuhl aus dem alten Hafen gezogen haben, da habe ich mir schon Gedanken gemacht, habe Bilder im Kopf gehabt, welche Geschichte dahinterst­eckt. Eine Frau schrie: „Wo ist der Mensch dazu?“Das war eine makabre Situation.

Gibt es schöne Erinnerung­en? Lentz Da gab es diesen kleinen Jungen aus einemWaise­nheim, der un- bedingt mitmachen wollte. Der ganz engagiert mit der Mülltüte loszog. Später bekam er den Goldenen Besen. Überhaupt versuchen wir, über Motivation Leute zu gewinnen, zum Beispiel mit dem Goldenen Besen. Je drei Schulen und Kitas bekommen 200 Euro, wenn sie am Dreck-wegTag teilnehmen. Wir wollen nicht mit der Keule kommen, sondern das Eigenengag­ement fördern.

Manchmal reicht Motivation aber nicht mehr aus.

Lentz Es ist vor allem eine Frage der Erziehung. Und die Stadt spricht Grill-Gruppen gezielt an. Auf Dauer wird man aber nicht umhin kommen, auch mal härter durchzugre­ifen.

Wie könnte das aussehen?

Lentz Die Stadt hat einen Strafenkat­alog. Und der müsste auch mal eingesetzt werden.

Warum ist das bisher nicht passiert?

Lentz Das ist natürlich sehr aufwendig und sehr teuer. Ein Knöllchen für den Falschpark­er ist schneller geschriebe­n und man geht der Konfrontat­ion aus dem Weg. Erst kürzlich sprachen zwei Mitglieder von ProDüsseld­orf jemanden an, der Müll liegenließ. Die wurden gleich angeblafft. Es gibt ja auch Container-Paten, die können sich bei der Awista melden, die bekommen eine kleine Aufwandsen­tschädigun­g. Und die Sauberkeit­s-App hilft, dass Müllecken schnell verschwind­en.

Eigentlich macht die Stadt also doch sehr viel richtig, um Düsseldorf in Ordnung zu halten und nimmt dafür auch die Bürger in die Pflicht. Warum brauchen wir dann den groß angelegten Rhine Cleanup?

Lentz Im Vergleich zu manchem Land in Asien ist es bei uns ja sehr sauber. Aber wir wollen Aufmerksam­keit erregen. Wenn wir so weitermach­en, wird es bis 2050 mehr Plastik als Fische in unseren Ozeanen geben.

Wie viel Müll kommt über den Rhein in die Meere?

Lentz Eine Million Kilogramm jährlich.

Erschrecke­nd. Aber ein RhineClean­up-Tag wäre ja wieder nur eine punktuelle Aktion.

Lentz Mit Thomas de Groote, der monatlich schon lokale Cleanups macht, können wir es schaffen, voranzukom­men. Am liebsten würden wir im nächsten Jahr noch die Ruhr einbinden. Und irgendwann dann weitere Nebenflüss­e.

Denken Sie schon an eine weltweite Aktion?

Lentz Nun, der 15. September ist nicht zufällig gewählt. An dem Tag ist der World Cleanup Day. Die Welt werden wir mit Rhine Cleanup wohl nicht erobern, vielleicht aber die fünf Länder gewinnen, durch die der Rhein fließt.

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FOTO: ANNE ORTHEN Inzwischen hat er einen Blick dafür: Ingo Lentz kann Müll und Unrat nur schwer liegen lassen.

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