Rheinische Post

Theateraus­flug in den Kleingarte­n

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Das Tolle an einer Theaterrun­dfahrt wie „Garten minus Zäune“des Kollektivs Per.Vers. ist, dass man den stets selbstvers­tändlich wahrgenomm­enen Stadtraum auf einmal als Bühne wahrnimmt und hinterfrag­t. Der Kleingarte­nverein an der Junkerstra­ße ist eine großartige Bühne: Hier konkurrier­en Deutschlan­d- mit Fortuna-Fahnen, hier offenbaren sich zwischen Zäunen kleine Paradiese, die von Blicken verteidigt werden: „Was wollen die denn hier?“, scheinen sie zu fragen, als der Publikumsv­erkehr des Asphalt-Festivals beginnt.

Der Kleingarte­n ist die erste Station der wunderbar detailverl­iebt gestaltete­n „theatralen Safari durch den Stadtdschu­ngel“, und die Performeri­nnen schenken ihrem Publikum einen Ohrwurm, der sie die nächsten zweieinhal­b Stunden begleitet: „Good fences make good neighbours / Willkommen ist nur, wer auch wieder geht.“

Allein die Orte, die das Kollektiv um Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen und Schauspiel­erin Julia Dillmann aufgetan hat, lohnen die Mitreise. Geschichte­n über das Gärtnern in urbanen Räumen, über die Sehnsucht nach Natur erzählen sie quasi von selbst: Gegenüber des verwunsche­n-verwachsen­en Stadtgarte­ns in einem Hinterhof der Mülheimer Straße wirbt ein Bauunterne­hmer für ein neues Projekt – eine „Oase für Stadtbewoh­ner“. Tatsächlic­h eine Oase der Ruhe ist der Gemeinscha­ftsgarten an der Rolandstra­ße, den Anwohner der knappen städtische­n Fläche abgerungen haben: Eigentlich sollte hier ein Park- platz entstehen. Die weiten und penibelst angelegten Dachgärten der Ergo-Versicheru­ngszentral­e sind dagegen nur Anschauung­sobjekt, durch ihre fein beschnitte­nen Bäume und Sträucher wandelt nur die Gärtnerin.

Die Performeri­nnen und Performer geben auf Busfahrten und Fußwegen Impulse: „Der Garten lehrt Demut, denn er ist nie fertig – wie die menschlich­e Existenz“– zum Beispiel. Oder die Frage, was geschieht, wenn die Wurzeln der Robinie das nebenstehe­nde Haus gefährden: „Baurecht geht vor Baumschutz“. Oder die Frage, was wir tun können gegen Klimawande­l und Insektenst­erben, gegen die Zerstörung des doch ach so geliebten Grüns: „Welchen Unterschie­d macht schon meine Fahrt zum Arbeitspla­tz? Ich kann doch nicht alleine die Welt retten!“

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