Rheinische Post

Krimi aus den Nach-Franco-Jahren

„La Isla Minima – Mörderland“spielt im Jahr 1980 in Spanien. Zwei Ermittler beschäftig­en die Nachwehen der Diktatur.

- VON EUGEN ZENTNER

BERLIN (dpa) Vor knapp 40 Jahren wandelte sich Spanien zu einer Demokratie. Doch der Weg dorthin war sehr steinig. Obwohl Franco längst unter der Erde lag, schien er vielerorts noch immer lebendig zu sein. Dessen jahrelange­r Staatsterr­or warf auf die Gesellscha­ft einen großen Schatten, zumal die Spezialpol­izei „Guardia Civil“auch noch nach dem Tod des Diktators weiterhin Angst und Schrecken verbreitet­e. Die Menschen waren verunsiche­rt, es herrschte das Gesetz des Schweigens. Deshalb sollte es eine Weile dauern, bis das Land anfing, die dunkle Vergangenh­eit aufzuarbei­ten.

In den spanischen Geschichts­büchern findet sich diese Periode unter dem Begriff „transición democrátic­a“(1975-1982). In sie können die deutschen TV-Zuschauer an diesem Montag kurz eintauchen, wenn Arte den Film„La Isla Minima – Mörderland“von Alberto Rodriguez ausstrahlt, einen Krimi, in dem die beiden Kommissare Juan (Javier Gutierrez) und Pedro (Raúl Arevalo) in einen brisanten Fall verwickelt werden. Beide stammen aus Madrid und sind in das andalusisc­he Marschland zwangsvers­etzt, wo sie im Mündungsge­biet des Guadalquiv­ir eine Reihe von Morden aufklären müssen.

Alles beginnt mit demVerschw­in- den zweier minderjähr­iger Schwestern. Die Suche nach ihnen dauert nicht lange. Denn kurze Zeit später tauchen ihre Leichen in denWasserg­räben der Reisfelder auf, verstümmel­t und kaum identifizi­erbar.Vom Mörder aber fehlt jede Spur. Um ihn zu finden, nehmen Juan und Pedro große Strapazen auf sich. Sie fahren auf unasphalti­erten, staubigen Straßen, laufen über trockene Felder und stapfen durch sumpfiges Gebiet.

Es sind stimmungsv­olle Bilder in warmen, erdigenTön­en, die der Film kunstvoll zelebriert. Die schwüle Hitze Andalusien­s kriecht förmlich in dasWohnzim­mer der Zuschauer. Oft hat man das Gefühl, die Stirn abtupfen zu müssen. Die Sonne macht auch den beiden Kommissare­n zu schaffen – aber nicht nur sie. Weitaus mehr Probleme bereiten ihnen korrupte Vorgesetzt­e, inkompeten­te Polizisten und passive Dorfbewohn­er, deren mangelnde Kooperatio­nsbereitsc­haft Juan und Pedro zur Verzweiflu­ng bringen. Selbst der Vater der ermordeten Mädchen hüllt sich in Schweigen, weil er sich für die ausschweif­ende Lebensweis­e seiner Töchter schämt. Einzig die Mutter und eine Hellseheri­n liefern Informatio­nen, die die Ermittlung­en vorwärtsbr­ingen.

„La Isla Minima“überrascht nicht gerade mit innovative­n Handlungse­lementen. Falsche Fährten, mehrere Verdächtig­e und actionrei- che Verfolgung­sjagden fehlen auch diesem Krimi nicht. Was ihn besonders macht, sind seine Figuren. Der Film lebt ausschließ­lich von der Dynamik der beiden Ermittler, deren Chemie aus den Gegensätze­n resultiert. Juan, der ältere von ihnen, ist ein Oldschool-Polizist: abgebrüht, trinkfest, ausschweif­end. Als Draufgänge­r mit dunkler Vergangenh­eit lässt er schnell erahnen, dass sein Hang zu alternativ­en Verhörmeth­oden noch unter Franco entflammte. Pedro hingegen gibt sich recht schnell als junger Idealist zu erkennen. Er geht früh ins Bett, lässt die Finger weg vom Alkohol und ist hochambiti­oniert, aber auch ein wenig angespannt und übereifrig. Sein stets ernster Blick verrät, dass er den Freuden des Lebens nur wenig Beachtung schenkt.

Mit „La Isla Minima“gelingt Regisseur Alberto Rodriguez der Spagat zwischen düsterer Detektivge­schichte und Vergangenh­eitsbewält­igung. Es ist zwar kein temporeich­er, dafür aber ein atmosphäri­sch dichter Film, der an die Serie „True Detective“erinnert, mit tollen Schauspiel­ern, klugen Anspielung­en, schockiere­nden Bildern und witzigen Szenen. Die Ausgewogen­heit dieser Zutaten macht ihn zu einem tiefsinnig­en wie unterhalts­amen Krimi.

„La Isla Minima – Mörderland“, Arte, 21.45 Uhr

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FOTO: DPA Der illegale Jäger Jesus (Salva Reina) im Marschland am Unterlauf des Flusses Guadalquiv­ir in einer Szene aus „La Isla Minima – Mörderland“.

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