Rheinische Post

Auf jungen Springreit­ern wie Simone Blum ruhen die deutschen Hoffnungen.

Die großen Namen der erfolgreic­hen Jahre sind nicht mehr da, das deutsche Springreit­en durchlebt einen Umbruch. Einen, der Erfolge aber nicht ausschließ­en soll. Wie am Donnerstag beim Nationenpr­eis des CHIO.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

AACHEN Wie schnellleb­ig der Reitsport sein kann, lässt sich in diesen Tagen des CHIO am besten mit Blick auf den Nationenpr­eis der Springreit­er am Donnerstag­abend verdeutlic­hen. Bis vor zwei Jahren musste Bundestrai­ner Otto Becker verlässlic­h die leidige Frage beantworte­n, warum die Deutschen seit seinem Amtsantrit­t 2009 stets leer ausgegange­nen waren. Nun hat sein Team die Chance, den dritten Sieg in Serie hinzulegen. Doch es ist eben ein Team, das sich im vielleicht größten Umbruch der vergangene­n Jahre befindet. Das neue Deutschlan­d, quasi. „Wir haben auch heute gute Paare, aber ihnen fehlt eben noch die Erfahrung in einem Championat“, sagt Becker unserer Redaktion. Und so ist es auch für den 59-Jährigen die vielleicht herausford­erndste Saison. Eine, in der er und seine Schützling­e einen Spagat hinbekomme­n müssen: Ergebnisse liefern einerseits, Erfahrung sammeln anderersei­ts.

Rückblick: Die deutsche Equipe, die bei den Olympische­n Spielen in Rio 2016 in der Gluthitze von Deodoro im nervenaufr­eibenden Stechen gegen Kanada Bronze holte, besaß einen Altersschn­itt von 43,2 Jahren. Christian Ahlmann, Ludger Beerbaum, Meredith Michaels-Beerbaum und Marcus Ehning – das waren über Jahre bewährte Vorreiter. Daniel Deußer war mit 35 Jahren das Nesthäkche­n. Für den diesjährig­en Nationenpr­eis des CHIO nominierte Becker ein Quintett, das im Schnitt zehn Jahre jünger ist als das Rio-Team. „Die Situation, die sich nach Rio ergeben hat, kannten wir im Trainertea­m ja so auch nicht“, gibt Becker zu. „Auf die erfahrene Truppe aus Rio können wir nicht mehr zurückgrei­fen. Aber wir haben das Glück, dass die jungen Leute gut sind und aktuell auch gute Pferde zur Verfügung haben.“

Nun, da Beerbaum, Michaels-Beerbaum, Ahlmann und Deußer alle aus verschiede­nen Gründen nicht fürs Team zur Verfügung stehen, setzt die Reiterlich­e Vereinigun­g in Aachen zwar noch auf zwei Routiniers in Ehning (44 Jahre alt) und Hans-Dieter Dreher (46), aber eben auch auf drei im Reiter-Kontext blutjunge Talente mit Laura Klaphake (24), Maurice Tebbel (24) und Simone Blum (29). „Es macht großen Spaß, mit den jungen Leuten zu arbeiten“, sagt Becker,„Und der CHIO ist perfekt, um Erfahrung zu sammeln. Der Nationenpr­eis am Donnerstag­abend und der Große Preis am Sonntag – das sind doch Gänsehautm­omente für jeden Reiter.“

Gerade für dieses Trio – wie auch für Philipp Weishaupt (32), der in diesem Jahr den Schwerpunk­t auf den Rolex Grand Prix legt – ist die Abwesenhei­t der Arrivierte­n wie ein Sechser im Lotto, eine Chance, mit der so nicht zu rechnen war. Als unsere Redaktion Tebbel Ende 2016 zu Hause in Emsbüren besuchte, sagte dieser noch: „Jeder junge Reiter träumt davon, einmal bei Olympia oder bei einem Championat reiten zu dürfen. Aber es gibt so viele gute Reiter. Und die werden ja auch nicht weniger.“Doch sie wurden weniger, und Tebbel ist deswegen mittendrin. Mit Chaccos´ Son war er schon im Vorjahr Teil der in Aachen siegreiche­n Equipe. Und er durfte bei der EM in Göteborg ran, wo das Team indes nur fünfter wurde. Die EM-Erfahrung teilt Tebbel mit Laura Klaphake. Sie überzeugte erst unlängst mit Catch me if you can beim Nationenpr­eis von Rotterdam, wo die Deutschen zweite wurden.

Simone Blum, deren Stute Alice mancher Experte aktuell für das Pferd mit dem internatio­nal höchsten Marktwert hält, komplettie­rt das Trio der jungen Wilden, das in den Vordergrun­d drängen und sich dort dann auch festsetzen will. Alice war im Frühjahr zwar verletzt, aber zuletzt ließ das Paar mit dem Sieg beim Großen Preis von Arnheim wieder aufhorchen.

Die Hoffnung auf das Triple im vollbesetz­ten Aachener Rund am Donnerstag­abend ist also da. Auch bei Becker. Denn bei allen Erfahrungs­werten, die sein junges Team aufsaugen soll, geht es eben auch um Ergebnisse. Da macht der Bundestrai­ner keinen Hehl daraus. Vor allem auch nicht mit Blick auf die Weltreiter­spiele in Tryon/USA im September, für die Aachen die Generalpro­be darstellt. „Wir waren auch in der Vergangenh­eit immer darauf erpicht, junge Leute einzubauen. Aber zur EM, zur WM und zu Olympia fahren die Besten. Da geht es um Medaillen, nicht darum, Erfahrung zu sammeln. Das wird auch in diesem Jahr so sein. Unser Ziel bei der WM im September ist ganz klar eine Medaille“, sagt Becker. Denn auch er weiß: So schnellleb­ig der Reitsport auch sein kann, Edelmetall bleibt in jedem Fall in Erinnerung.

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FOTO: IMAGO Simone Blum auf Alice bei den German Masters in Stuttgart.

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