Rheinische Post

„Otello war der Oberhammer“

Jede Premiere im Opernhaus wird von unseren Laienkriti­kern besprochen. Nun ziehen sie die Bilanz der abgelaufen­en Saison.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Jeden Sommer dreht sich das Karussell der Opernscout­s. Die eine Hälfte verlässt die Runde der „Laienkriti­ker“am Ende der Spielzeit, die andere hat bei dem Gemeinscha­ftsprojekt der Rheinoper mit der Rheinische­n Post ihr zweites Jahr noch vor sich. So lange verpflicht­en sich jeweils zwölf Opernscout­s, nach den Premieren ihre Eindrücke zu reflektier­en und festzuhalt­en. Als Kurzkommen­tar in dieser Zeitung und sehr viel ausführlic­her mit eigenen Worten im Blog www.opernscout­s-operamrhei­n.de.

„Man wartet immer auf magische Momente. Davon habe ich viele erleben dürfen. Georg Hess Opernscout

Zum Saisonschl­uss ziehen vier Scouts Bilanz. Bäckermeis­ter Roland Schüren und Notar-Fachrefere­nt Georg Hess scheiden aus, Katrin Gehlen von Art Couture und Susanne Bunka, die in Urdenbach das Angercafé betreibt, sind weiter dabei.

Was war die Motivation, sich diesem Kreis anzuschlie­ßen?„Die Lust, in etwas Neues einzusteig­en“, antwortet Roland Schüren. „Ich wollte mich überrasche­n lassen, was auch gelungen ist.“Gleich der Anfang mit „Otello“sei der „Oberhammer“gewesen. „Einfach genial. Die Oper riss mich sofort mit, und es machte mir sogar Spaß, darüber zu schreiben.“Seiner ersten Wagner-Erfahrung stand er skeptisch gegenüber. Was sich bei „Rheingold“bestätigte, sich aber bei „Walküre“und „Siegfried“komplett ins Gegenteil wandelte. „Ich beschäftig­te mich intensiv mit dem Freiheitsg­edanken, der in mehreren Inszenieru­ngen sichtbar wurde“, sagt er. „Freiheit ist ein hohes Gut, und wir gehen momentan so fahrlässig damit um.“

Katrin Gehlen besuchte früher regelmäßig die Oper und das Ballett. Dann schluckte ihre Arbeit als Designerin zu viel Zeit. Jetzt sah sie in ihrer Aufgabe als Opernscout eine willkommen­e Gelegenhei­t, wieder tiefer in den Kulturkosm­os einzutauch­en. Um Wagner hätte sie allerdings am liebsten einen Bogen gemacht, aber Kneifen kam nicht in Frage. Dennoch, gepackt hat der „Ring“sie nicht. „Überhaupt hatte ich vermutet, die Oper würde mich sehr viel mehr fasziniere­n“, sagt sie. „Aber dann war es mir oft zu klassisch, mir fehlte ein neuer moderner Geist. Was mich wirklich begeistert­e, war das großartige Ballett. Eine unglaublic­he Inspiratio­nsquelle! Ich freue mich schon auf die Fortsetzun­g.“

Susanne Bunka hatte sich als Opernscout beworben. „Ich las immer die Kommentare in der RP und fragte, ob ich mitmachen kann“, erzählt die Gastronomi­n. DieWelt der Oper und der Klassik war ihr nicht fremd. Was sie suchte, war der Austausch mit anderen. Deshalb hat sie – wie jeder – die Gesprächsr­unden nach den Premieren immer sehr genossen. Und alle finden die Option gut, eine Begleitung mitnehmen zu können. Um die Auseinande­rsetzung mit modernen Interpreta­tionen geht es Susanne Bunka in der Oper nicht. „Ich liebe es klassisch, brauche keinen verkleidet­en Trump und anderen Schnicksch­nack“, sagt sie. „Weil ich viel arbeite, möchte ich solche Abende nur genießen und zur Ruhe kommen. Oft fehlt mir die Zeit, mich auf eine Aufführung vorzuberei­ten. Aber ich denke, das muss auch nicht sein. Es hat seinen Reiz, unbefangen hinzugehen.“

Da ist Georg Hess anderer Meinung. Er hat sich immer gründlich eingelesen. „Wer das bei Wagner nicht macht, dem können fünf Stunden recht lang werden“, glaubt er. Er sei in den zwei Jahren um einige Erfahrunge­n schlauer geworden und hätte eine neue Offenheit bei sich entdeckt. Es war seine Frau, die ihn dazu ermutigt hatte. Am meisten überrascht­e ihn seine Leidenscha­ft für das Ballett. „Ich verglich es immer mit einem frischen Blumenstra­uß – man sieht herrliche Bewegungen und schöne Menschen in tollen Kostümen. Nie hätte ich gedacht, dass ich daran so viel Gefallen finden würde.“Seine Bilanz:

„Man wartet ja immer auf magische Momente. Davon habe ich viele erleben dürfen. Die Huldigung der tänzerisch­en Leistungen ist bei mir gewachsen. Was für ein Glück, dass wir in Düsseldorf so etwas Großes geboten bekommen.“

Mit dem anschließe­nden Schreiben, da sind die Scouts sich einig, erschließe sich noch eine weitere Ebene derWahrneh­mung.„Man schaut von Anfang an intensiver hin“, sagt Katrin Gehlen. In ihrem Freundesun­d Bekanntenk­reis hätte sie sehr viel Resonanz gespürt, „manche kauften sich dann eine Karte.“Das bestätigt auch Georg Hess.

Roland Schüren erzählt von dem Erstaunen, das er in seiner Funktion als Opernscout auslöste: „Was machst du, Oper?“Er habe seine Kumpels dann öfter eingebunde­n, feierte mit ihnen bei„Schwanense­e“sogar seinen Geburtstag. Sein Herz hängt an dem Opernhaus: „Dieser 1950er-Jahre-Charme ist wunderbar. Eine sehr coole Location, die man hoffentlic­h an ihrem angestammt­en Platz lässt.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Die Opernscout­s berichten von ihren Erlebnisse­n: v.l. Roland Schüren, Susanne Bunka, Katrin Gehlen, Georg Hess.

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