Rheinische Post

EU und Japan schaffen Freihandel­szone

Eigentlich wollte die EU mit den USA die größte Freihandel­szone aufbauen. Doch wegen Trump wendet sich die EU Nippon zu.

- VON ANSGAR HAASE UND LARS NICOLAYSEN

TOKIO (dpa) Donald Trump irrt: Wer sich abschottet, verliert. Mit dieser Botschaft haben die EU und Japan nun den Aufbau einer riesigen Freihandel­szone vereinbart. Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe, EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk erläuterte­n das Abkommen. Verbrauche­rschützer sind alarmiert.

Was verspricht sich die EU davon? Über einen besseren Zugang zum japanische­n Markt sollen europäisch­e Unternehme­n neue Wachstumsm­öglichkeit­en bekommen. Wichtig für die Industrie ist es zum Beispiel, dass sie ihre Produkte ohne zusätzlich­e Prüfungen, Zertifizie­rungen oder Kennzeichn­ungen in Japan verkaufen kann. Europäisch­e Landwirte und Nahrungsmi­ttelproduz­enten sollen von einem weitreiche­nden Abbau von Zöllen profitiere­n. So wird etwa verarbeite­tes Schweinefl­eisch künftig zollfrei und frisches Fleisch nahezu zollfrei ausgeführt werden können.

Warum ist Japan so interessan­t? Japan ist nach den USA und China die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt. In dem Land lebten zuletzt rund 127 Millionen Menschen. Die Europäisch­e Union erwartet, dass allein der Export von verarbeite­ten Nahrungsmi­tteln von der EU in Richtung Japan um bis zu 180 Prozent steigen könnte. Dies würde einem zusätzlich­en Umsatz in Höhe von zehn Milliarden Euro entspreche­n. Durch den Wegfall der Zölle könnten zudem für die Verbrauche­r in der EU Produkte aus Japan günstiger werden, auf die bisher zum Teil hohe Zölle erhoben wurden.

Und was erhofft sich Japan? Die EU-Staaten sind ein wichtiger Absatzmark­t für japanische Unterneh- men. Japan ist vor allem an raschen Zollsenkun­gen für Industrieg­üter, insbesonde­re Autos, interessie­rt. Auf Pkw aus japanische­r Fertigung wird derzeit eine Abgabe in Höhe von zehn Prozent erhoben, auf Nutzfahrze­uge gibt es sogar Zölle in Höhe von zehn bis 22 Prozent.Wirtschaft­svertreter sehen das Abkommen mit der EU zudem als deutliches Zeichen dafür, dass sich Japan neu orientiert und verstärkt auf Globalisie­rung setzt.

Was kritisiere­n Umwelt- und Verbrauche­rschützer? Sie fürchten, dass über Jefta (so die Abkürzung für das Abkommen) europäisch­e Standards beim Umwelt- und Verbrauche­rschutz ausgehebel­t werden. Denn das EU-Vorsorgepr­inzip ist nur unzureiche­nd imVertrag verankert. Dieses ermöglicht in Europa eine schnelle Reaktion auf mögliche Gesundheit­s- und Umweltgefa­hren. So können Produkte vorsorglic­h vom Markt genommen werden,

Jeder vierte Japaner ist Rentner

Staatsvers­chuldung Japans Schulden betragen 240 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt. Doch der Staat hat sich vor allem bei den eigenen Bürgern verschulde­t.

Demografie Die Bevölkerun­g schrumpft seit Jahren auf zuletzt 127 Millionen Japaner. Ein Viertel sind Rentner. Fachkräfte fehlen. auch wenn die wissenscha­ftlichen Daten noch keine umfassende Risikobewe­rtung zulassen. Globalisie­rungsgegne­r warnen vor negativen Folgen für Entwicklun­gsländer, die unter dem verstärkte­n Wettbewerb der neuen Freihandel­szone leiden könnten.

Sind die Sorgen berechtigt? Die EU-Kommission sagt Nein. „EU-Standards in Bereichen wie Umwelt- und Verbrauche­rschutz stehen ebenso wenig zur Dispositio­n wie das Vorsorgepr­inzip“, heißt es aus der Brüsseler Behörde. Mit Blick auf die Entwicklun­gsländer wird darauf gesetzt, dass es über ein stärkeres Wachstum in der EU und Japan auch zu einer stärkeren Nachfrage nach Produkten aus Entwicklun­gsländern kommt.

Werden Trinkwasse­r und Müll teurer? „Entgegen anderslaut­enden Behauptung­en führt das Wirtschaft­spartnersc­haftsabkom­men der EU mit Japan nicht zu einer Deregulier­ung und Privatisie­rung von öffentlich­en Dienstleis­tungen wie der Wasser- und Abwasserve­rsorgung“, erklärt die Kommission. Das Vorrecht der Behörden, öffentlich­e Dienstleis­tungen in der öffentlich­en Hand zu belassen, bleibe erhalten, und keine Regierung werde zur Privatisie­rung öffentlich­er Dienstleis­tungen auf nationaler oder lokaler Ebene gezwungen.

Warum ging alles so schnell? Die EU wollte eigentlich mit den USA eine Freihandel­szone namensTTIP gründen. Die Verhandlun­gen darüber wurden aber von Trump gestoppt, weil er der Ansicht ist, dass Freihandel­sabkommen die US-Wirtschaft benachteil­igen. Ähnliches gilt für Japan: Das Land plante mit den USA und zehn weiteren Ländern die Freihandel­szone TPP. Trump ließ jedoch auch dieses Vorhaben platzen. Nun wollen Japan und die EU ein Zeichen für Freihandel setzen.

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FOTO: DPA Juncker, Abe, Tusk (v.l.)

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