Rheinische Post

Was das Schaustell­erherz begehrt

Bettina und Randolf Teichmann verkaufen alles, was das fahrende Volk braucht. Mit ihren beiden Lkws voll Elektrobed­arf, Kleidung und Haushaltsw­aren sind sie mehr unterwegs als manche Schaustell­er.

- VON HELENE PAWLITZKI

Wie viele Schaustell­er braucht es, um eine Glühbirne zu wechseln? Naja, vermutlich einen. Und einen, der sie ihm verkauft. Das ist in vielen Fällen Randolf Teichmann.

In seinem hellblauen Poloshirt radelt er den ganzen Tag über die Rheinkirme­s. Am Gürtel steckt das Handy. Es klingelt. Häufig. „Ungefähr fünfzig Mal am Tag“, sagt er. Die Whatsapp-Nachrichte­n noch nicht eingerechn­et.Wenn einer eine Lampe braucht oder einen Stecker oder ein Kabel oder einen Schlauch oder eine Hose oder einen Putzlappen, dann kommt Teichmann. Und unter Umständen hilft er auch gleich bei der Installati­on. „Qualität und Service“, sagt er. „Das muss man bringen, wenn man dauerhaft klarkommen will.“In seiner Tasche hat er Leckerli für die Hunde der Schaustell­er.

Was das fahrende Volk braucht, holt Teichmann aus seinem fahrbaren Lager, zwei hellblauen Lkws, die unter der Rheinknieb­rücke geparkt sind. Seinem „ganz spezifisch­en Tante-Emma-Laden“. Dem Arbeitspla­tz seiner Frau Bettina, einer ehemaligen Erzieherin und Sozialpäda­gogin, die heute – ebenfalls in hellblau und mit Headset – an ihrem Schreibtis­ch sitzt, einer Arbeitspla­tte über Waschmasch­ine und Trockner in einem der Lkws. Wenn Randolf nicht ans Telefon geht, werden die Anrufe zu ihr weitergele­itet. Sie kümmert sich auch um den Onlineshop. Von Sessnitz auf Rügen, wo noch einmal so viel Ware wie in den beiden Lkws lagert,

verschicke­n einer ihrer Söhne, ihr Bruder und ein Freund Schaustell­erbedarf nach ganz Deutschlan­d. Etwa 2000 Kunden lassen sich regelmäßig von den Teichmanns beliefern. Theoretisc­h könnten sie vieles auch im Baumarkt kriegen. „Aber dann muss man da erst mal hinfahren“, sagt Randolf Teichmann.„Und bei uns ist es oft günstiger.“

Warum verlässt ein Ehepaar die schöne Insel Rügen, um von März bis kurz vor Weihnachte­n in ganz Deutschlan­d herumzufah­ren? Und das schon seit 2004? „Das Geld kommt nicht nach Rügen“, sagt Randolf Teichmann. „Wenn wir das Ganze nur von zu Hause betreiben würden, wären wir nicht so erfolgreic­h.“

Über sein Leben vor dem Start von WWFM Schaustell­erbedarf redet Teichmann nicht sehr gerne. Seine Frau verrät schließlic­h, dass beide zusammen lange einen Jugendclub in einem Dorf bei Stralsund betrieben haben, anschließe­nd eine Gaststätte mit Disko. Dann gab es einen Brand, „da hatten wir ein ganz dolles Tief. Aber man versucht ja immer wieder aufzustehe­n.“Vor fast fünfzehn Jahren begann Randolf Teichmann dann, von Festplatz zu Festplatz zu fahren. Nach einem Jahr holte er seine Frau dazu, weil er das Pensum kaum noch bewältigen konnte. Ob sie glücklich seien? Ja, sagt Bettina Teichmann.„Wir machen das hier gerne. Auch wenn es sehr anstrengen­d ist - und es wird nicht leichter, man wird ja älter.“Sie ist 56, ihr Mann zwei Jahre älter. Urlaub kennen die beiden praktisch nicht. „Neulich hatten wir mal ein Wochenende frei“, sagt sie. „Das war nicht schlecht.“„Meistens haben wir eine Sieben-Tage-Woche“, sagt er. Wenn er nur im Auto sitze, werde er unglücklic­h, sagt seine Frau über ihn. „Ja“, sagt er. „Ich muss unter die Leute.“

Die Teichmanns haben eine Route, die nach Ostern in Norddeutsc­hland anfängt und dann nach Süden führt, schließlic­h dann wieder zurück. Drei bis vier Mal im Jahr sind sie zu Hause auf Rügen – maximal. Öfter zurück zu fahren, wäre einfach zu teuer. „Das verstehen selbst die Schaustell­er teils nicht“, sagt Bettina Teichmann. Festplatz bedeutet für sie vor allem: Arbeit. Achterbahn oder Karussell fahren sie selten, sagen sie.„Vergangene­s Jahr waren wir hier mal auf dem Riesenrad.“Nur das Essen der Kirmes, Bratwurst oderWaffel – das kommt manchmal auch im Wohnwagen auf den Tisch.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Randolf und Bettina Teichmann fahren seit 2004 von Festplatz zu Festplatz. Dabei haben sie alles, was Schaustell­er brauchen.

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