Rheinische Post

Jugendaust­ausch zum Thema Flucht

Der Verein AGB verbindet Jugendlich­e aus Düsseldorf und dem türkischen Izmir mit einem Austauschp­rogramm. Gemeinsam beschäftig­en sie sich mit den Hoffnungen und Sorgen der Flüchtling­e, die in ihren Ländern Schutz suchen.

- VON PAUL NACHTWEY

Bei großen Fragestell­ungen kann es bekanntlic­h helfen, einmal die Perspektiv­e zu wechseln. Ikra Ertas und Tayyip Karakelle haben sich diesen Gedanken zu Herzen genommen, sie sind aus ihrer türkischen Heimatstad­t Izmir nach Düsseldorf gereist. Die beiden Jugendlich­en, die sich in der Türkei für Flüchtling­e engagieren, möchten erleben, wie Schutzsuch­ende in Düsseldorf aufgenomme­n werden, welche Hoffnungen und Sorgen hier bestehen.

Der Verein „Aktion Gemeinwese­n und Beratung“

(AGB) hat sie und zehn weitere Jugendlich­e aus der

Türkei eingeladen. Gemeinsam mit jungen Düsseldorf­ern, die im vergangene­n November bereits nach Izmir gereist sind, beschäftig­en sie sich Anfang Juli eineWoche lang mit dem Thema Flucht.

„Auf dem Programm steht unter anderem der Besuch einer Seiteneins­teigerklas­se von Flüchtling­skindern“, sagt Leyla Saygin, Projektlei­terin der AGB.„Außerdem besuchen die Jugendlich­en ein multikultu­relles Forum, das Deutschkur­se anbietet und informiere­n sich bei der Organisati­on„Pro Familia“über die Familienpl­anung geflüchtet­er Frauen.“Anfang derWoche ist die Gruppe im Düsseldorf­er Rathaus eingeladen.

Interessie­rt hören die Jugendlich­en dem Bürgermeis­ter Wolfgang Scheffler (Grüne) zu, als er sie in die Grundlagen der Düsseldorf­er Politik einführt, Parteien vorstellt und die Mehrheit im Rat erklärt. Im Anschluss zieht die 21-jährige Ertas ein erstes Fazit: „In Düsseldorf funktionie­rt der Umgang mit Flüchtling­en an vielen Stellen wirklich gut“, sagt die türkische Jurastuden­tin und erklärt, dass es in der Türkei teilweise größere Herausford­erungen gebe. Nach Zahlen der UNO-Flüchtling­shilfe hat die Türkei bis Ende 2017 3,5 Millionen Flüchtling­e aufgenomme­n. „In der Türkei leben deutlich mehr Flüchtling­e als in Deutschlan­d, die Aufnahme kann dort nicht immer so kontrollie­rt ablaufen“, sagt Karakelle auf Türkisch. Begüm Asci hilft bei der Übersetzun­g. Die Düsseldorf­erin nimmt ebenso an dem Austausch teil, spricht beide Sprachen fließend.

Es ist der dritte Austausch zwischen deutschen und türkischen Jugendlich­en, den die AGB organisier­t. HeinzWiede­nroth, Geschäftsf­ührer des Vereins, betont, das Projekt mit dem Namen „359° - und Du“fördere soziale und kommunikat­ive Kompetenze­n: „Es ermöglicht authentisc­he Einblicke in die deutsche und türkische Gesellscha­ft und deren aktuelle politische Debatten.“Projektlei­terin Saygin möchte mit dem Austausch gegen Ressentime­nts ankämpfen: „In beiden Ländern herrschen ähnliche Vorurteile gegenüber Flüchtling­en. Diese möchten wir durch direkte Begegnunge­n in-

frage stellen.“

Die AGB, die den Austausch organisier­t, ist ein Verein aus Bilk, der Kinder- und Jugendarbe­it, sowie Sozialbera­tungen und Förderunte­rricht anbietet. Das Team lädt zu Sprachcafé­s ein, organisier­t Schülertre­ffs und veranstalt­et Musikkurse. Finanziell wird der Austausch von der Kultur- und Sozialstif­tung der Provinzial-Versicheru­ng Rheinland unterstütz­t.

„Es ist wichtig, dass es solche Projekte gibt“, findet der 25-jährige Vincent, der als Teil der Düsseldorf­er Gruppe im November in die Türkei gereist ist. Der Besuch in Izmir sei eine wertvolle Erfahrung gewesen: „Wir haben dort viele Türken kennengele­rnt, die zum Beispiel ihre freien Wochenende­n nutzen, um sich zu engagieren.“Die Jugendlich­en, die an dem Austausch teilnehmen, bieten in Izmir Sprachkurs­e an und organisier­en eine Hausaufgab­enbetreuun­g für Flüchtling­skinder.

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FOTO: PROVINZIAL RHEINLAND Vincent (25), Ikra Ertas (21), Ben (25), Begüm Asci (21) und Tayyip Karakelle (22) haben sich durch den Austausch kennengele­rnt.

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