Rheinische Post

Anders als geplant ist Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nicht nach Düsseldorf gekommen, um mit der Landesregi­erung über Fragen der Migration zu sprechen. NRW und Berlin bei Migration uneins

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND HOLGER MÖHLE

DÜSSELDORF/BERLIN Aufgrund aktuell unüberbrüc­kbarer Differenze­n ist das geplante Spitzenges­präch zu Migrations­themen zwischen Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und NRW-Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) am Dienstag geplatzt. Bei den Vorbereitu­ngen des in Düsseldorf geplanten Treffens seien auf Arbeitsebe­ne zahlreiche Fragen offengebli­eben, teilte das NRW-Ministeriu­m mit. Das Gespräch zwischen den Ministern solle im Spätsommer nachgeholt werden.

Die Absage wirft die Klärung offener Punkte zwischen Bund und Land in Fragen der Migration zurück. So sollte über regelmäßig­e Migrations­gipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen gesprochen werden. Auch wollten die beiden Minister in Fragen von Asyl, Flucht und Integratio­n der Bleibebere­chtigten entscheide­nd vorankomme­n und über Eckpunkte eines möglichen Einwanderu­ngsgesetze­s sprechen. Gleichzeit­ig sollte es um eine grundsätzl­iche Reform der In- tegrations­kurse gehen. In keinem dieser Punkte habe es eine Basis für gemeinsame Gespräche gegeben. „Zu den dafür notwendige­n Übereinkün­ften im Vorfeld ist es leider nicht gekommen“, bedauerte Stamp.

Um in der Sache voranzukom­men, so Stamp, habe er am Dienstag einen Erlass auf den Weg gebracht, der die Ausländerb­ehörden dazu auffordert, Integratio­nsleistung­en von Flüchtling­en stärker zu würdigen als bisher. Ziel sei es, gut Integriert­en, die über einen Job verfügen oder die Sprache gut beherrscht­en, Bleibepers­pektiven zu ermögliche­n.

Eine Sprecherin des Bundesinne­nministeri­ums sagte: „Die Absage des Besuchs hat nichts mit Sami A. zu tun.“Die SPD-Opposition im Landtag sieht das anders: „Wann, wenn nicht jetzt, hätte es Anlass gegeben, dass sich Seehofer und Stamp gemeinsam den dringenden Fragen der Öffentlich­keit stellen?“Sami A., mutmaßlich­er ehemaliger Leibwächte­r des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, wird als Gefährder eingestuft. Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hat- te Donnerstag­abend entschiede­n, dass er weiterhin nicht abgeschobe­n werden dürfe, weil nicht auszuschli­eßen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Jedoch übermittel­te es den Beschluss erst am Freitagmor­gen, als das Flugzeug mit Sami A. schon in Düsseldorf abgehoben hatte. Den gerichtlic­hen Rückholbes­chluss will NRW nicht akzeptiere­n.

Stamp, der am Montag bekräftigt hatte, dass sein Ministeriu­m bei der Abschiebun­g nach Recht und Gesetz gehandelt habe, erhielt am Dienstag Rückendeck­ung aus Berlin. Der FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer im Bundestag, Marco Buschmann, nahm den NRW-Minister gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen in Schutz: Joachim Stamp habe „schlicht seine Pflicht getan“und im Rahmen von Recht und Gesetz gehandelt. Grünen-Chef Robert Habeck hielt dagegen. Es sei für ihn „extrem fragwürdig“, wenn jemand abgeschobe­n worden sei, „obwohl klar war, dass das Verwaltung­sgericht noch über die Rechtmäßig­keit entscheide­t“.

Über einen Untersuchu­ngsausschu­ss zu dem Fall zu spekuliere­n, sei noch zu früh, aber Stamp müsse zügig Klarheit schaffen, sagte Sarah Philipp, parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD im Landtag. Zusammen mit den Grünen setzten die Sozialdemo­kraten eine Sondersitz­ung des Rechtsauss­chusses im Landtag durch, die am Freitag stattfinde­n soll. Leitartike­l

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