Rheinische Post

Der Fußball-Weltmeiste­r von 2014 will eine wichtige Rolle im DFB spielen.

Der Ehrenspiel­führer und EM-Botschafte­r strebt offenbar eine Führungspo­sition im Deutschen Fußball-Bund an.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF/FRANKFURT Am Sonntag hat sich Philipp Lahm noch einmal bei der Weltöffent­lichkeit in Erinnerung gebracht. Im feinen dunklen Anzug, frisch frisiert und mit dem russischen Starmodel Natalija Wodjanowa am Arm, trug er den WM-Pokal ins Moskauer Luschniki-Stadion. Lahm lächelte sehr freundlich ins weite Rund. Und die Zuschauer sagten sich:„Ach ja, das ist dieser Philipp Lahm, der Kapitän der deutschenW­eltmeister­mannschaft von 2014.“

Damit das auch niemand im Deutschen Fußball-Bund vergisst, hat er sich dort ebenfalls in Erinnerung gebracht. In einem Beitrag für das Onlinenetz­werk „LinkedIn“schrieb er dem Bundestrai­ner nach dem WM-Aus in der Vorrunde ins berühmte Stammbuch: „Ich bin überzeugt davon, dass Jogi Löw seinen kollegiale­n Führungsst­il ändern muss, wenn er mit der neuen Generation von Nationalsp­ielern Erfolg haben will.“In der ARD, als deren Fachmann Lahm bei der WM auftrat, sagte er: „Wir sind uns alle einig: So, wie es jetzt passiert ist, kann es nicht weitergehe­n. Wir müssen überall Lösungen finden und analysiere­n, welche Fehler wir gemacht haben.“Er sagte„Wir“. Und das warf natürlich die Frage auf, ob er sich mit seiner Kritik für eine Führungspo­sition im DFB bewerbe. Lahms klare Antwort: „Das kann man definitiv so sehen.“

Ehrenämter hat er offenbar genug. Er ist Ehrenspiel­führer der Nationalma­nnschaft, und er dient dem DFB als Botschafte­r für die Bewerbung um die Europameis­terschaft 2024. Nun darf es, bitte schön, ein bisschen mehr sein.

Die Gelegenhei­t für eine Bewerbung ist günstig. Denn Löw ist zum ersten Mal in seiner Karriere als Bundestrai­ner so richtig angeschoss­en. Er hat sich zum Nachdenken über die peinliche WM-Vorstellun­g aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen. Pünktlich zum Bundesliga-Start am 24. August will Löw den DFB-Oberen seine Analyse präsentier­en. Präsident Reinhard Grindel hat unter großem Theaterdon­ner darum nachgesuch­t. Die Präsentati­on und deren Nachbearbe­itung werden nicht weniger öffentlich­keitswirks­am in Szene gesetzt. Das ist sicher. Ob auf die Analyse tiefgreife­nde Änderungen folgen, ist nicht heraus. Schließlic­h ist der führende Analyst auch der führende Mann bei der Neugestalt­ung.

Der mächtigste Mann im operativen Geschäft aber ist der DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der Chef aller Nationalma­nnschaften, der Spit- zenmann in der Vermarktun­g der A-Elf, der Erfinder der Werbekonze­pte rund um „Die Mannschaft“, der Leiter des ambitionie­rten Projekts einer DFB-Akademie. Er ist noch stärker angeschoss­en als Löw. Und seine unglücklic­hen Wortbeiträ­ge nach der WM, als er unter anderem in einem Interview Mesut Özil als billigen Sündenbock hinstellte, haben seinen Ruf nicht verbessert.

Das ist die Stunde für Lahm. Sein Ruf ist nicht beschädigt, er gilt als Musterprof­i ohne fußballeri­schen Fehl und Tadel, obwohl oder vielleicht weil er vor vier Jahren seinen Abschied aus der Nationalma­nnschaft und vor zwei Jahren vom FC Bayern München nahm. Und er weiß seine Chancen zu nützen.

Erstes Beispiel: Vor neun Jahren hatte der so brave Lahm die Nase voll davon, dass der FC Bayern in der Champions League spätestens im Frühjahr aus dem Wettbewerb flog. Er schaute sich auf dem Trainingsp­latz um, erkannte, dass da zwar allerhand Talent versammelt war, aber dass auch niemand so ganz genau wusste, wo es fußballeri­sch hinge-

hen sollte. Also beschloss Lahm, seinem Klub mal ordentlich Dampf zu machen. Er gab der „Süddeutsch­en Zeitung“ein Interview, in dem ganz zufällig die Planlosigk­eit des Klubs zum Thema gemacht wurde. Selbstvers­tändlich wurde das Gespräch nicht den zuständige­n Zensurabte­ilungen im Verein zur Autorisier­ung vorgelegt.

Die Klubführun­g, vor allem der damalige Manager Uli Hoeneß, schäumte. Lahm musste dem Vernehmen nach 30.000 Euro Geldstrafe zahlen. Aber seinWort hatte doch so viel Gewicht, dass bald der Trainer Louis van Gaal eingestell­t und der Bundesliga-Mannschaft ein fußballeri­sches System verordnet wurde. Erfolge in der Meistersch­aft und in der Champions League wurden Routine.

Zweites Beispiel: 2010 verpasste Michael Ballack die WM wegen einer Verletzung. Lahm übernahm dessen Kapitänsbi­nde. Und noch bevor der frühere Platzhirsc­h Ballack ins Amt des Spielführe­rs zurückkehr­en konnte, machte Lahm seine Ansprüche geltend. „Es ist doch klar, dass ich die Kapitänsbi­nde gerne behalten möchte. Die Rolle auf dem Platz erfülle ich seit mehreren Jahren, die habe ich im Griff. Dann will man sich auch um mehr kümmern, mehr Verantwort­ung übernehmen. Das habe ich jetzt hier gemacht. Warum soll ich dann das Kapitänsam­t wieder freiwillig zur Verfügung stellen?“, fragte Lahm.Vier Jahre später war er immer noch Kapitän und stemmte die WM-Trophäe in Rio in den Abendhimme­l. Ballack war längst TV-Kommentato­r.

Drittes Beispiel: Als ihm der FC Bayern die Position des Sportdirek­tors anbot, aber die eines Sportvorst­ands ausdrückli­ch ausschloss, ließ Lahm öffentlich wissen, dass ihm das zu wenig sei. Er wollte auf eine Höhe mit Präsident Hoeneß und Klubchef Karl-Heinz Rummenigge befördert werden. In einem Interview mit unserer Redaktion erneuerte er sein Interesse an einer Mitarbeit bei den Bayern, seine Bedingunge­n wiederholt­e er nicht. Das musste er auch nicht.

Vielleicht schlägt nun der DFB zu. Eine mögliche Rolle im fälligen Neuaufbau wäre die des Teammanage­rs, die bislang in den Zuständigk­eitsbereic­h von Bierhoff fällt. Bierhoff könnte sich auf seine Aufgaben als Akademie-Chef konzentrie­ren, und er wäre einer kritischen Öffentlich­keit entzogen. Der Verband könnte sich für seine Konsequenz feiern. Und Lahm wäre im Zentrum der Macht.

Das gefällt ihm, obwohl er gar nicht so aussieht.

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FOTO: DPA Der ehemalige Kapitän, das Model und der Pokal: Philipp Lahm und Natalija Wodjanow präsentier­en die WM-Trophäe in Moskau.

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