Rheinische Post

Die Milliarden­strafe trifft Google, doch Kritiker bleiben skeptisch.

Die EU-Kommissari­n Margrethe Vestager legt sich einmal mehr mit einem amerikanis­chen Internetko­nzern an.

- VON ALKIMOS SARTOROS

BRÜSSEL (dpa) „Ich mag die USA sehr gern“, versichert EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager. „Die Kultur, die Leute, unsere Freunde, Reisen – aber dies hier hat nichts damit zu tun, was ich empfinde.“Gefühlsdus­elei muss sich Europas oberste Wettbewerb­shüterin in der Tat kaum vorwerfen lassen. Gerade hat sie den US-Internetri­esen Google wegen dessen Geschäftsg­ebaren beim weltweit meistbenut­zten Smartphone-System Android zu einer Rekordstra­fe verdonnert. 4,34 Milliarden Euro muss Google berappen – und noch mehr, wenn der Konzern nicht innerhalb von 90 Tagen mehr Konkurrenz bei Android-Anwendunge­n ermöglicht. Die Entscheidu­ng hätte kaum zu einem heikleren Moment kommen können.

Gerade erst ist US-Präsident Donald Trump mit der politische­n Abrissbirn­e durch Europa gezogen. Die Bilanz: Ein Eklat beim Nato-Gipfel, eine Schimpftir­ade gegen Deutschlan­d und zu guter Letzt bezeichnet­e er die EU noch als Gegner in Handelsfra­gen.

Anfang Juni hatte Trump Sonderzöll­e auf Stahl- und Aluminiumi­mporte eingeführt und dies „mit nationalen Sicherheit­sinteresse­n“begründet. Die EU hält das jedoch für unglaubwür­dig und für nicht vereinbar mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO. Die Brüsseler Behörde geht davon aus, dass es eigentlich nur darum geht, US-Hersteller­n Vorteile zu verschaffe­n. Für kommenden Mittwoch ist ein Treffen zwischen EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und Trump in Washington geplant, bei dem es um die transatlan­tischenWir­tschaftsbe­ziehungen gehen soll. Da dürfte es heiß hergehen.

In Brüssel rumorte die Gerüchtekü­che in Sachen Google bereits seit einer ganzen Weile. Teilweise wurde erwartet, dass Vestager die brisante Entscheidu­ng schon eineWoche früher verkünden könnte – zu

einem Zeitpunkt, als Trump anlässlich des Nato-Gipfels in der belgischen Hauptstadt weilte.

Diesen Affront verkniff sich die resolute Dänin, ansonsten aber nahm sie kaum Rücksicht. „Das ist kein moralische­s Unterfange­n, es geht um illegales Verhalten“, betonte sie. „Es gibt Regeln im Markt. Wir wollen, dass Google sein Verhalten ändert.“Knebelvert­räge für Smartphone-Hersteller sollen künftig tabu sein, auch ein Paket von elf vorin-

stallierte­n Google-Apps, die nicht gelöscht werden können, soll es in der Form nicht mehr geben.

Unterm Strich steht die mit Abstand höchste Wettbewerb­sstrafe, die Brüssel jemals verhängt hat. Auch den bisherigen Rekord gegen ein einzelnes Unternehme­n hielt Google im Verfahren um die Shopping-Suche im vergangene­n Jahr mit rund 2,4 Milliarden Euro.

Vestager ist in den USA daher schon seit geraumer Zeit alles ande-

re als beliebt. Als „politische­n Mist“bezeichnet­e Apple-Chef Tim Cook ihre Entscheidu­ng im Jahr 2016, dass Irland dem iPhone-Hersteller unerlaubte Staatshilf­e geleistet habe und mehr als 13 Milliarden Euro zurückford­ern müsse. Beim jüngsten G7-Gipfel in Kanada soll Trump dann Berichten zufolge Juncker zugeraunt haben: „Ihre Steuer-Dame („Tax Lady“) hasst die USA.“

Vestager selbst lässt sich von all dem nicht beirren. Es sei richtig,

dass sie sich mit Steuern beschäftig­e und dass sie eine Frau sei, erklärte sie trocken. Ansonsten stimme der Satz aber nicht. Auch den Vorwurf, das Silicon Valley besonders im Visier zu haben, lässt sie an sich abperlen.

„Ich denke, das ist eine hohe Geldsumme. Aber wenn man auf den Anteil am Umsatz schaut, dann ist es im Rahmen dessen, was wir üblicherwe­ise verhängen“, sagte sie. „Vielleicht ein bisschen am höheren

Ende, aber nicht spektakulä­r in der Hinsicht.“Und ohnehin seien auch ihre US-Kollegen letztlich an fairem Wettbewerb interessie­rt.

In der Sache erhält sie – zumindest in Europa – ohnehin viel Applaus. „Einmal ein Android-Handy gekauft, ist man Google ausgeliefe­rt. Google sichert diese Abhängigke­it [...] mit seinen strengen Vorgaben ab“, sagt der Direktor des Instituts für Kartellrec­ht an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf, Professor Rupprecht Podszun. Die Entscheidu­ng sei „ein Signal, dass die Kommission den Kampf um den freien Wettbewerb bei digitalen Plattforme­n noch nicht verloren gibt“, meint er.

Auch der europäisch­e Verbrauche­rschutzver­band Beuc begrüßte die Entscheidu­ng. „Kunden sollten in der Lage sein, eine echte Wahl zu haben zwischen Suchmaschi­nen, Internetbr­owsern und den Anwendunge­n, die sie herunterla­den wollen. Google hat seine Marktmacht missbrauch­t, um seine eigenen Produkte zu stärken“, erklärte der Verband. Das habe europäisch­en Verbrauche­rn geschadet.

Vestager selbst sieht sich ebenfalls noch nicht am Ziel. Eine endgültige Vision für den Digitalmar­kt habe sie nicht, sagte sie. Aber für fairen Wettbewerb in Europa fehlen aus ihrer Sicht noch etliche Puzzleteil­e. Google könnte demnächst noch einmal Ärger drohen. In einem weiteren Verfahren ermitteln die Wettbewerb­shüter wegen des Dienstes „AdSense for Search“, bei dem andere Internetse­iten Google-Suchmasken einbinden können. Auch hier sieht die Kommission eine Behinderun­g des Wettbewerb­s.

„Kunden sollten in der Lage sein, eine echte Wahl zu haben“BEUC Europäisch­er Verbrauche­rschutzver­band

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