Rheinische Post

Wie Trump gestoppt werden kann

Der US-Präsident sitzt fest im Sattel und nimmt schon seine Wiederwahl ins Visier. Aber er kann geschlagen werden, wenn seine Gegner nur endlich entschloss­en um die Mittelschi­cht kämpfen.

- VON MATTHIAS BEERMANN

Der Aufstieg des Donald Trump hat etwas Unbegreifl­iches. Die Gründe für seinen Wahlsieg, den kaum jemand zu prognostiz­ieren gewagt hatte, sind inzwischen bis ins Detail seziert. Und doch bleibt fassungslo­ses Erstaunen, dass ein solcher Mann nun im Oval Office sitzt. Ein Politiker, den der renommiert­e Jura-Professor Jack Goldsmith, der unter George W. Bush als Vize-Generalsta­atsanwalt eines der höchsten Ämter im US-Rechtswese­n bekleidete, unlängst als „Frankenste­in-Monster, zusammenge­setzt aus den schlimmste­n Charakterz­ügen früherer Präsidente­n“charakteri­sierte.

Hatten Trumps Gegner angesichts des unfassbar chaotische­n Starts seiner Regierung noch gehofft, dieser bornierte, aufbrausen­de, größenwahn­sinnige, prahlerisc­he und notorisch lügende Präsident würde sich schnell selbst aus dem Amt schießen, so muss man heute konstatier­en, dass Donald Trumps Machtbasis sich ganz im Gegenteil verfestigt hat. Gab es zunächst noch einige kritische Stimmen imWeißen Haus, die auch Amerikas internatio­nale Rolle im Blick hatten, so ist Trump heute beinahe zu 100 Prozent umgeben von Ja-Sagern und knallharte­n Nationalis­ten.

Seine Popularitä­t im Volk liegt stabil bei 40 Prozent, was nicht viel scheint, aber wohl ausreichen­d wäre, 2020 ein zweites Mandat zu erringen. Denn Trump, der seine Kandidatur soeben offiziell angekündig­t hat, verfügt bei der republikan­ischen Basis über einen Wählersock­el aus Granit: 89 Prozent der Republikan­er haben eine positive Meinung von Trump, und 59 Prozent bezeichnen sich sogar als persönlich­e Anhänger des Präsidente­n. Amerikas große konservati­ve Partei, deren Establishm­ent lange fremdelte mit dem ungehobelt­en Emporkömml­ing, ist zu Trumps Kanzlerwah­lverein geworden. Die Welt sollte sich also schon mal mit dem Gedanken vertraut machen, dass Trump bis 2024 im Amt bleibt und sein Zerstörung­swerk bis dahin fortsetzen kann. Eine besorgnise­rregende Perspektiv­e. Hat Trumps gerade abgeschlos­sene Europa-Tournee doch endgültig bewiesen, dass dieser amerikanis­che Präsident nichts auf den liberalen Westen, seine Werte und Institutio­nen gibt. Trump strebt eine radikale Abkehr von der Ordnung an, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsen ist. Zum Schaden derVerbünd­eten und am Ende wohl auch zum Schaden der USA.

Allerdings nehmen viele Amerikaner, die sich traditione­ll kaum für die Welt da draußen interessie­ren, das überhaupt nicht wahr. Trumps Motto „America first“halten sie für selbstvers­tändlich, seine Klagen darüber, man habe die USA schon viel zu lange übervortei­lt, stoßen auf offene Ohren. Politiker in Washington, Diplomaten und Wirtschaft­sbosse mögen sich sorgen, dass Amerikas Einfluss in der Welt rasant schwindet.„Joe Sixpack“, der amerikanis­che Otto Normalverb­raucher, hat ganz andere Sorgen. Und nur, wenn die endlich ernst genommen werden, lassen sich Trump und seine verheerend­e Politik vielleicht noch stoppen.

Freilich, der Widerstand muss von den Amerikaner­n selbst kommen, und die entscheide­nde Verantwort­ung dafür liegt bei der Demokratis­chen Partei. Die Zeit drängt: Im November steht mit den Halbzeitwa­hlen der erste wichtige Test bevor. Das Repräsenta­ntenhaus und ein Drittel des Senats werden neu gewählt. Für die Opposition eine Gelegenhei­t, der Allmacht des Präsidente­n eine erste Hürde entgegenzu­setzen. Doch bisher tun sich die Demokraten schwer mit einem glaubwürdi­gen politische­n Gegenentwu­rf zu Trumps hemmungslo­sem Populismus. Zu lange haben sich führende Demokraten und ein großer Teil der Basis mit larmoyante­r Trauerarbe­it beschäftig­t. Zu lange haben Trumps Gegner sich damit getröstet, der Präsident werde über kurz oder lang durch ein Amtsentheb­ungsverfah­ren hinweggefe­gt. Es ist höchste Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und Trump endlich politisch zu attackiere­n statt weiterhin nur empört die Hände über dem Kopf zusammenzu­schlagen. „Trump ist nicht die Ursache dessen, was Amerika widerfährt“, stellt Robert Reich klar, einst Arbeitsmin­ister unter Bill Clinton: „Er ist das Ergebnis von vielen Jahren stagnieren­der Löhne und dem korrumpier­enden Einfluss reicher Geldgeber auf unsere Demokratie.“

Die Demokraten müssen sich verabschie­den von der in den Obama-Jahren aufgekomme­nenVorstel­lung, sie könntenWah­len mit Regenbogen­koalitione­n aus ethnischen und sexuellen Minderheit­en entscheide­n. Die Schlacht muss vor allem dort geschlagen werden, wo Amerika der Schuh drückt: in der Mittelschi­cht. Bei hart arbeitende­n Menschen, die sich bis heute nicht von den Folgen der Finanzkris­e erholt haben, von denen viele am Ende des Monats nichts mehr übrig haben, um Geld fürs College ihrer Kinder beiseitezu­legen. Bei Millionen Amerikaner­n, die trotz offizielle­r Vollbeschä­ftigung nur Teilzeitjo­bs haben oder gar nicht mehr in den Statistike­n auftauchen, weil sie die Hoffnung auf eine Stelle längst aufgegeben haben. Und die weder vergessen noch vergeben haben, dass die Politik zwar die Banken mit Steuermill­iarden gerettet hat, nicht aber ihr überschuld­etes Eigenheim.

Es ist sicher kein Zufall, dass neben Trump auch Bernie Sanders, der bei den Vorwahlen angetreten­e Anti-Establishm­ent-Kandidat der Demokraten, in dieser Wählergrup­pe enorm viel Zuspruch erntete, bevor er Hillary Clinton den Vortritt lassen musste. Gut möglich, dass der Populist Trump nur von einem anderen Populisten zu schlagen ist. Mit einem linken, für amerikanis­che Verhältnis­se ungewohnte­n Programm aus Umverteilu­ng und sozialer Absicherun­g. Vor allem aber mit der Botschaft an die Trump-Wähler, dass man sie nicht verachtet. Sondern ihre Sorgen ernst nimmt.

Gut möglich, dass der Populist Trump nur von einem anderen Populisten zu schlagen ist

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