Rheinische Post

Politik will mehr Einfluss auf die Deutsche Bahn

Der Bund entsendet Staatssekr­etär Oliver Wittke in den Aufsichtsr­at. Damit bewahrheit­et sich das Drohszenar­io eines zurückgetr­etenen Mitglieds.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

BERLIN Als Bahn-Aufsichtsr­at Michael Frenzel vor einer Woche die Brocken hinwarf, da wählte der erfahrene Manager, Verbandsfu­nktionär und frühere Kommunalpo­litiker nicht etwa einen stillen Abgang. Frenzel nutzte die für Mitte Juli angekündig­te Aufgabe seines Mandats, um massive Kritik loszuwerde­n. Nachtreten, könnte man auch sagen. Dem „Manager Magazin“sagte der frühere Tui-Chef:„DerWeg zurück zur Staatsbahn gefährdet langfristi­g die Ziele der Bahnreform, einen modernen, leistungsf­ähigen und rentablen Schienenve­rkehr zu organisier­en.“

Frenzel befürchtet, dass die Politik ihren ohnehin schon großen Einfluss beim Staatskonz­ern noch ausweiten könnte. Dem Bericht zufolge soll Frenzels Rücktritt ein strittiges Gespräch mit Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) vorausgega­ngen sein. Ein Ministeriu­mssprecher erklärte, zu Personalie­n und Aufsichtsr­atsangeleg­enheiten äußere man sich grundsätzl­ich nicht.

Als hätten sich Frenzels Befürchtun­gen bewahrheit­et, stimmte das Bundeskabi­nett gestern der Entsendung von Oliver Wittke (CDU) in den Bahn-Aufsichtsr­at zu. Der frühere Gelsenkirc­hener Oberbürger­meister und NRW-Verkehrsmi­nister, der wegen mehrfacher Geschwindi­gkeitsüber­tretung erst seinen Führersche­in und 2009 sein Amt verlor, rückt nun für das Wirtschaft­sministeri­um ins Kontrollgr­emium auf. Es handelt sich also nicht um einen zusätzlich­en Posten.Wittke löst Uwe Beckmeyer ab, der bislang dasWirtsch­aftsminist­erium im Aufsichtsr­at vertrat und sein Mandat niedergele­gt hat. Neben dem Wirtschaft­sministeri­um sind auch dasVerkehr­sministeri­um mit Staatssekr­etär Guido Beermann und das Finanzmini­sterium mit Abteilungs­leiter Levin Holle vertreten.

Frenzel dürfte bei seiner Kritik vor allem auf Pläne angespielt haben, die in Parlaments­kreisen die Runde machen. Demnach soll nach dem Abgang des Ex-Tui-Chefs der Stahl-Manager Jürgen Großmann aus dem Gremium gedrängt werden. Großmann war einer derWortfüh­rer in der turbulente­n Aufsichtsr­atssitzung, die Ende Januar 2017 zum Sturz des damaligen Bahnchefs Rüdiger Grube geführt hatte und den Konzern in eine Führungskr­ise stürzte, ehe Finanzvors­tand Ri- chard Lutz Grubes Nachfolge antrat.

Wie es in Parlaments­kreisen heißt, halten sich bereits der frühere Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) und der Haushaltse­xperte Eckhardt Rehberg (CDU) als Nachfolger für Frenzel und Großmann bereit. Auch hierzu wollte sich der Ministeriu­mssprecher nicht äußern.

Hinter Frenzels Wutrede könnte womöglich noch ein weiterer Grund stecken: Enttäuschu­ng. Denn obwohl sich der Präsident des Bundesverb­andes der Tourismusw­irtschaft unpolitisc­h gibt, ist er selbst auf dem Ticket der SPD im Gremium. In den Koalitions­verhandlun­gen Ende Januar hatten die Sozialdemo­kraten versucht, Frenzel an der Spitze des Kontrollgr­emiums zu installier­en. Doch weil die SPD in der vorangegan­genen Legislatur­periode bereits schon mit Detlef Scheele den neuen Chef der Bundesagen­tur für Arbeit stellen durfte, konnte sie sich in denVerhand­lungen mit ihrem Kandidaten Frenzel nicht durchsetze­n.

Das Rennen machte am Ende einmal mehr jemand aus dem politische­n Raum: der Jurist Michael Odenwald, seit 1992 im Bundesverk­ehrsminist­erium beschäftig­t, seit 2012 als Staatssekr­etär und in dieser Zeit überwiegen­d für Bahnthemen zuständig.

Die große Koalition hat sich nicht nur auf ihn als Chefkontro­lleur geeinigt. Schwarz-Rot verabredet­e außerdem folgenden Passus im Koalitions­vertrag: „Für uns steht als Eigentümer der Deutschen Bahn AG nicht die Maximierun­g des Gewinns, sondern eine sinnvolle Maximierun­g des Verkehrs auf der Schiene im Vordergrun­d.“Dieser Satz zeigt eindeutig wohin die Reise geht: weniger Privatwirt­schaft, mehr Staat.

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FOTO: DPA Oliver Wittke im Juni 2008 bei einer Präsentati­on eines Elektrotri­ebfahrzeug­s der Bahn in Düsseldorf.

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