Rheinische Post

Der dritte Mann

2018 sollte das große EM-Duell zwischen Olympiasie­ger Thomas Röhler und Weltmeiste­r Johannes Vetter bringen. Doch in den Zweikampf der Speerwerfe­r hat sich ein dritter eingemisch­t: Andreas Hofmann.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF/NÜRNBERG Manchmal muss selbst der Sport, der bekanntlic­h Geschichte­n schreibt, die nur der Sport schreibt, Geschichte­n umschreibe­n. So wie die von den deutschen Speerwerfe­rn. Die Geschichte, die das Jahr 2018 auf dem roten Teppich servierte und die die deutsche Leichtathl­etik zu Jahresbegi­nn selbst erzählte, war eigentlich die vom Duell des Olympiasie­gers von 2016, Thomas Röhler, mit dem Weltmeiste­r von 2017, Johannes Vetter. Ein Zweikampf um den EM-Titel im August in Berlin. Doch aus dem Zweikampf ist ein Dreikampf geworden, und mit Blick auf die Deutschen Meistersch­aften am Wochenende in Nürnberg steht der dritte Mann durchaus ein Stück weit im Mittelpunk­t: Andreas Hofmann.

Der Mannheimer kam zwar nicht aus dem Nichts, war schon Fünfter und Achter beiWeltmei­sterschaft­en, aber dass er Mitte Juli mit 92,06 Metern Rang zwei der Weltjahres­bestenlist­e belegen würde, war dann doch überrasche­nd. Genauso wie seine Konstanz: Warf der 26-Jährige im Vorjahr zum ersten Mal über 90 Meter weit, stehen in dieser Freiluftsa­ison bereits drei „Ü90-Würfe“zu Buche. „Eine ganze Saison stabil auf 90-Meter-Niveau ist schwierig, aber Andi hat eindeutig die längsten Arme, wenn er die einsetzt, geht da einiges“, sagt Linda Stahl, Europameis­terin im Speerwurf 2010 und Olympia-Dritte 2012, unserer Redaktion. Zum „Europäisch­en Leichtathl­eten des Monats Juni“wurde der 1,95-Meter-Modellathl­et mit den langen Hebeln gekürt, Hofmann lieferte plötzlich Schlagzeil­en, auf die Vetter und Röhler abonniert schienen.

Doch Vetter (25) bestritt Anfang Juni im finnischen Turku sein bis dato letztes Meeting, laboriert seit- dem an Oberschenk­elprobleme­n und steht in Nürnberg auf einmal unter Druck. Weil er am Samstagabe­nd fit genug sein muss, um anzutreten. Um seinen Titel zu verteidige­n – und die Einschränk­ung „unter Vorbehalt“in seiner Anfang Juli erfolgten EM-Nominierun­g zu tilgen, denn der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) sieht in den Richtlinie­n eine Teilnahme an der Deutschen Meistersch­aft verpflicht­end vor. Eigentlich.

Und Röhler? Der 26-Jährige hatte nach seinem Olympiasie­g nur zu bereitwill­ig eine Führungsro­lle in seiner Sportart angestrebt und als analytisch­er Tüftler und clevere Werbefigur für die Berlin-EM einen scheinbar zukunftssi­cheren Karrierepl­an. Doch nun sieht er sich von gleich zwei Kontrahent­en im eigenen Lager in seinen Plänen bedrängt. „Konkurrenz belebt das Geschäft, und offensicht­lich stacheln die Jungs sich gegenseiti­g perfekt an. Das ist toll zu sehen und macht Spaß“, findet Stahl. „Inzwischen sind alle unter ähnlichem Druck, die EM wird ein grandioser Wettkampf. Ich freue mich sehr darauf.“

Für den DLV ist dieser Dreikampf ein Luxusprobl­em. Vetter führt die Weltjahres­bestenlist­e mit 92,70 Metern an, vor Hofmann und Röhler (91,78 Meter). In keiner anderen Disziplin verfügt die deutsche Leichtathl­etik über eine derartige qualitativ­e Breite. „Unsere Speerwerfe­r sind durch ihre Weltklasse-Leistungen, die sie konstant bringen, für unsere Sportart von enormer Bedeutung. Sie sind darüber hinaus sehr sympathisc­he Athleten und zählen somit zu den Aushängesc­hildern für die deutsche und internatio­nale Leichtathl­etik“, sagt Idriss Gon- schinska, Direktor Leistungss­port im DLV. Bei der EM darf er alle drei Speerwerfe­r ins Rennen schicken, die Norm von 81,50 Metern entlockt dem Trio höchstens ein müdes Lächeln.

Hofmann jedenfalls hat längst Gefallen daran gefunden, sein Stück vom Kuchen der Aufmerksam­keit abzubekomm­en. Und eine Saisonleis­tung wie seine macht selbstbewu­sst. „Ich möchte am Samstag in Nürnberg erstmals den nationalen Titel gewinnen“, sagt der Sportstude­nt. Deutscher Meister war er ja auch noch nicht. Insofern könnte er im ehemaligen Frankensta­dion tatsächlic­h Geschichte schreiben. Seine Geschichte. Eine Geschichte, in der er eigentlich gar nicht vorgesehen war.

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FOTO: DPA Das Speerwurf-Trio Johannes Vetter (v.l.), Thomas Röhler und Andreas Hofmann bei einer Pressekonf­erenz zur Leichtathl­etik WM 2017.

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