Rheinische Post

Kommunikat­ion mangelhaft

Stefanie Carp, Intendanti­n der Ruhrtrienn­ale, erlebt viel Gegenwind. Die Kritik ficht sie nicht an – sie plant weiterhin bis 2020.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

BOCHUM Dass Stefanie Carps erste Ruhrtrienn­ale von der Diskussion um Israelkrit­ik, Antisemiti­smus und die Freiheit der Kunst überschatt­et wird, dass es sogar Rücktritts­rufe aus der Landespoli­tik und überregion­alen Medien gab, kommt nicht von ungefähr: Die Intendanti­n offenbart einen schlechten Kommunikat­ionsstil, hat viel zu lange nicht zu einer klaren Haltung gefunden. Sie zieht sich auf die Position der Künstlerin zurück, die nicht taktieren, nicht unterkompl­ex argumentie­ren, nicht wie (aus ihrer Sicht) Politiker sofort einfache und klare Positionen beziehen will, sondern die sich Unsicherhe­iten erlaubt, viel Zeit und Raum zum Nachdenken. Dieser Raum sollte Künstlern gestattet sein. Leider ist sie nicht nur Künstlerin, sondern auch oberste Repräsenta­ntin von Nordrhein-Westfalens größtem Kulturfest­ival mit starker internatio­naler Wirkung.

Vor wenigen Tagen hat Stefanie Carp unserer Redaktion ein Interview gegeben. Natürlich stellten wir Fragen zur Diskussion rund um die Ein-, Aus- undWiedere­inladung der Band Young Fathers, die in der israelkrit­ischen Kampagne BDS (Boykott, Deinvestme­nt und Sanktionen) aktiv ist. Wir gaben der Intendanti­n die Möglichkei­t, Stellung zu beziehen, ihre Meinung zur BDS-Kampagne zu schildern, über den Verlauf der Diskussion zu reflektier­en und darüber, ob sie BDS möglicherw­eise zu größerer Bekannthei­t in Deutschlan­d verholfen hat. Wir stellten Stefanie Carp auch die Frage, ob sie zum Existenzre­cht Israels stehe. Das war von Mitglieder­n des Kulturauss­chusses des Landtags nach einem missverstä­ndlichen Auftritt bezweifelt worden.

Dieser Auftritt wirkte offenbar so stark nach, dass die CDU-Fraktion sogar nach einem erklärende­n Brief, in dem sich die Intendanti­n unter anderem zum Existenzre­cht Israels bekennt, erklärte: „Ihre zur Schau getragene Unbedarfth­eit gegenüber dem Thema halten wir für beschämend und ebenso wenig glaubwür- dig wie den aus unserer Sicht misslungen­en Versuch, ihren für viele Abgeordnet­e peinlichen Auftritt im Ausschuss nachträgli­ch durch ein Schreiben zu rechtferti­gen.“Einige Abgeordnet­e kündigten an, auf ihren geplanten Besuch der Ruhrtrienn­ale zu verzichten.

Leider führte Stefanie Carp auch im Interview mit unserer Redaktion ihre planlos wirkende Nicht-Strategie fort. Obwohl sie nur kurz zuvor ausführlic­h mit dem Onlineport­al „Nachtkriti­k“über die Diskussion um BDS und ihre Haltung dazu gesprochen hatte, kündigte sie direkt vor Beginn des Interviews plötzlich an, keine Fragen zum Thema mehr beantworte­n zu wollen. Sie tat es dann doch, bezog sogar deutlich und klar Position – und zog schließlic­h alle Antworten zurück.

Ausführlic­h wird sie sich wohl erst am 18. August wieder zu diesem Komplex äußern, wenn in der Bochumer Turbinenha­lle statt des Konzerts mit der Band Young Fathers eine Podiumsdis­kussion zur „Freiheit der Kunst“stattfinde­t, an der nach jetzigem Stand auch Stefanie Carp teilnimmt.

Die Intendanti­n gibt an, mit diesem Akt des Schweigens den Fokus wieder zurück auf ihr künstleris­ches Programm legen zu wollen. Ein Programm, das kein Thema so stark behandelt wie die koloniale Schuld Europas. „Die flüchtende­n Menschen aus den Regionen, die wir früher Dritte Welt nannten, sind ein sichtbares Zeichen dieses neuen Zeitalters“, so Carp. „Sie kommen zu uns und sagen zu Recht: Wir wollen jetzt auch ein Stück des Reichtums, den ihr auf unsere Kosten erworben habt. Dass dieser Tag kommen würde, hätte man erwarten können. Jetzt ist die historisch­e Phase, in der das passiert, und dazu müssen wir uns verhalten.“

Dass sie nicht wie ihr Vorgänger Johan Simons neue Industrieh­allen für Produktion­en entdecken wird, begründete die Intendanti­n mit einem generellen „Problem der Ruhrtrienn­ale, das selten benannt und besprochen wird“: Ein großer Teil des Budgets fließe jetzt schon

in die Spielbarma­chung der Hallen, und es bleibe immer weniger übrig für das, was dann darin geschehen soll. „Der kostengüns­tigste Ort für mich ist die Jahrhunder­thalle Bochum, weil da alles schon installier­t ist. Die Zeche Lohberg in Dinslaken zu bespielen, ist hingegen sehr, sehr teuer. Trotzdem haben Christoph Marthaler und ich uns vorgenomme­n, uns mit einer Arbeit zum Abschluss unserer Ruhrtrienn­ale 2020 explizit mit der schmerzhaf­ten und auch schönen Geschichte der Zeche zu beschäftig­en.“

Trotz der aktuellen Querelen, dem Unmut in Landtagsfr­aktionen und Rücktritts­forderunge­n plane sie „selbstvers­tändlich für die Jahre 2019 und 2020“, sagte Carp. Ihr nächster Auftritt ist zur Auftakt-Pressekonf­erenz der Ruhrtrienn­ale am 1. August geplant. Sie dürfte nicht daran vorbeikomm­en, sich dann zu erklären.

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FOTO: DPA Ruhrtrienn­ale-Intendanti­n Stefanie Carp in der Jahrhunder­thalle in Bochum.

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