Verschleierte Identität
Das NS-Dokumentationszentrum in Köln zeigt Bilder des Malers Yury Kharchenko.
KÖLN Unsichtbar sein – damit beschäftigt sich der Maler Yury Kharchenko in seinen Bildern. Unsichtbare Wege, unsichtbare Menschen und Geschichte betreffen ihn auch selbst. Seine Familie hieß nicht immer Kharchenko. Während des ZweitenWeltkriegs nannten sie sich um: früher hießen sie Grynszpan. Damit versteckten sie sich, machten ihre jüdische Identität unsichtbar, auch in der Sowjetunion.
Als Kind kam Yury Kharchenko aus Moskau nach Deutschland. Im Rheinland wuchs er auf, studierte freie Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Markus Lüpertz und Siegfried Anzinger. Inzwischen lebt er in Berlin. Kharchenko porträtiert viele jüdische Persönlichkeiten, von Herschel Grynszpan über Felix Nussbaum und Sigmund Freud bis zu Amy Winehouse. Er fragt nach dem, was sie verbindet. Die Unsichtbarkeit, die Transzendenz, die für Kharchenko zur jüdischen Identität zu gehören scheint, ist den Bilder eingewoben. Im NS-Dokumentationszentrum in Köln sind diese Arbeiten nun zu sehen.
Die Personen in seinen Bildern lösen sich auf, ziehen farbige Fäden, ihre Formen und Farben blättern ab, Menschen und Häuser gehen in bunten Farben auf, sind von schlierigen Schleiern bedeckt. Sie sind zugleich sichtbar, scharf und deutlich zu erkennen, aber auch unsichtbar, am Rande des Verschwindens. Amy Winehouse wird von Ungeborenen regelrecht aufgefressen, ruhig blickt sie von der Leinwand, um sie herum ein feuriger Sturm aus roten verschlingenden Flammen.
Seine Bilder beschäftigten sich, so Hans-Werner Bartsch, Bürger- meister der Stadt Köln, mit der eigenen Familiengeschichte, aber auch mit einer gesellschaftlichen Fragestellung rund um jüdische Identität. In einem weiteren Bild porträtiert Kharchenko sich selbst als Herschel Grynszpan, den Attentäter, den die Nazis als Vorwand für die Reichsprogromnacht benutzten und mit dem Kharchenko höchstwahrscheinlich verwandt ist. Auf diesem Selbstporträt ist Kharchenkos Gesicht halb von einer schwarzen Fläche bedeckt, darauf dieWorte „Wie lange noch meine Identität verstecken?“. Seine Kunst aber hebt sie in den Mittelpunkt, stellt die Frage nach seiner Familiengeschichte – nach jüdischer Identität – in bunten, kräftigen Farben.
Kunst im Kontext der eigenen Emotionen zum Thema NS zeige das NS-Dokumentationszentrum, sagt dessen Direktor Werner Jung. Kunst zur Aufarbeitung von Geschichte. Für Yury Kharchenko sind seine Bilder genau das. Dazu macht er in seinen Bildern das sichtbar, was unsichtbar ist.
Info Die Ausstellung ist bis 2. September im NS-Dokumentationszentrum in Köln, Appellhofplatz 23-25, zu sehen; im Internet unter www.nsdok.de