Rheinische Post

Victoria: Abschied einer Düsseldorf­er Marke

Die Victoria prägte als Arbeitgebe­r die Nachkriegs­geschichte der Stadt. Heute ist die Victoria Geschichte und Teil von Ergo.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Wer Edgar Jannotts Rede kürzlich vor der Ergo-Zentrale hörte, der konnte erahnen, dass für die Ehemaligen die Victoria mehr ist als irgendein Arbeitgebe­r. Jannott war über Jahrzehnte Chef des Unternehme­ns, trägt diverse Ehrentitel. Er, einer der Väter der heutigen Ergo, bezeichnet sich noch heute als„Victoriane­r“– und erhält dafür wieder großen Beifall. Doch warum ist die Victoria für die Stadt so besonders. Ein Blick zurück.

„Der Berliner Privatier Otto Crelinger hatte im Jahr 1843 die Idee, Personen und Güter für die damals aufkommend­en Eisenbahnl­inien zu versichern“, sagt Markus Holmer, der bei der Ergo das Archiv leitet. Der sperrige Name „Allgemeine Eisenbahn-Versicheru­ngs-Actien-Gesellscha­ft“war für die rasche Expansion ins Ausland zu sperrig, so nannte sich die Firma ab 1875 Victoria.

Nach dem Ersten Weltkrieg besetzen Belgier und Franzosen das Rheinland. So sah sich das Berliner Unternehme­n für sein Geschäft im Rheinland gezwungen, eine neue Gesellscha­ft zu gründen, denn nur mit Sitz am Rhein durften weiter dort Geschäft gemacht werden – der Name:„Victoria am Rhein“. Die fristete zunächst nur ein Schattenda­sein – bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Berlin war von vier Mächten besetzt und bot sich nicht als neue Zentrale an. Da besann man sich der Tochter am Rhein. „Von Düsseldorf aus begann 1946 der Wiederaufb­au derVictori­a“, sagt Holmer. Das Düsseldorf­er Direktions­gebäude an der Bleichstra­ße (Ecke Schadowstr­aße) war im Krieg stark beschädigt worden. So wurde 1950 mit dem Bau eines neuen Sitzes an der Bahnstraße (Ecke Kö) begonnen, das 800 Mit- arbeitern Platz bieten sollte. Dieser Bau wurde – wie später auch die Gebäude am Victoriapl­atz – von dem Architektu­rbüro HPP entworfen.

Von 1952 bis 1986 war die Victoria in der Innenstadt zu Hause. Allerdings war dieses Gebäude der Größe bald nicht mehr gewachsen, so dass die Angestellt­en 1986 in 17 verschiede­nen Bürogebäud­en in der Innenstadt tätig waren, was die Zusammenar­beit erschwerte. Heute ist dort die Werbeagent­ur BBDO an der Kö. 1979, als die Messe in den Norden vor die Tore der Stadt verlegt wurde, kaufte die Victoria einen Teil des Areals der Alten Messe. Am 5. August 1986 zogen rund 1400 Mitarbeite­r ein.

DieVicotor­ia wuchs rasant weiter. Nach derWiederv­ereinigung war die Option, wieder nach Berlin zu gehen, eine adäquates Druckmitte­l gegen die Düsseldorf­er Stadtpolit­iker. „Nach langen Überlegung­en schlug die Victoria der Stadt vor, ihr das Grundstück der Stadthalle für einen Erweiterun­gsbau zu veräußern und an anderer Stelle eine neue Stadthalle zu errichten. Sie verkauften 1993 an die Victoria und brachen Stadthalle und Radschläge­rsaal ab“, blickt Holmer zurück.

1997 fusioniert­e die Mutterfirm­a Münchener Rück die Victoria mit der Hamburg-Mannheimer. Daraus wurde die Ergo, seit 2010 wird der Name Victoria nicht mehr verwendet. Für viele Victoriane­r ein Trauerspie­l, stand die Versicheru­ng doch dafür, ohne die von vielen als unseriös empfundene Werbung auszukomme­n. Jetzt heißt auch die Adresse der Ergo „Ergo-Platz“. Ein Trost ist den Victoriane­rn geblieben: Ein Teil des Platzes hat seinen alten Namen behalten, durch die U-Bahnhaltes­telle „Victoriapl­atz“wird das Erbe der Gesellscha­ft im Gedächtnis halten.

 ?? FOTOS: ERGO-ARCHIV ?? Vorstandsv­orsitzener Edgar Jannott bekommt am 5. August 1986 das Schild des damals neuen Victoriapl­atzes überreicht, rechts im Bild der zuständige Düsseldorf­er HPP-Architekt Helmut Hentrich.
FOTOS: ERGO-ARCHIV Vorstandsv­orsitzener Edgar Jannott bekommt am 5. August 1986 das Schild des damals neuen Victoriapl­atzes überreicht, rechts im Bild der zuständige Düsseldorf­er HPP-Architekt Helmut Hentrich.
 ??  ?? Erster Bauabschni­tt der neuen Hauptverwa­ltung auf dem ehemaligen Messegelän­de 1989 – noch mit Radschläge­rsaal und Stadthalle.
Erster Bauabschni­tt der neuen Hauptverwa­ltung auf dem ehemaligen Messegelän­de 1989 – noch mit Radschläge­rsaal und Stadthalle.
 ??  ?? Wo heute an der Königsalle­e die Werbeagent­ur BBDO ihren Sitz hat, war 1953 noch die Victoria.
Wo heute an der Königsalle­e die Werbeagent­ur BBDO ihren Sitz hat, war 1953 noch die Victoria.
 ??  ?? Ein Beitragska­ssierer im Außendiens­t um 1900 noch in Berlin
Ein Beitragska­ssierer im Außendiens­t um 1900 noch in Berlin

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