Rheinische Post

Das Glück der Geretteten THAILAND

Nach fast einem Monat sind die jungen Fußballer aus der thailändis­chen Höhle zurück bei ihren Familien. Beim Abschied aus dem Krankenhau­s zeigen sie sich erstaunlic­h munter. Und jetzt? Schule – und dann vielleicht ins Kloster.

- VON CHRISTOPH SATOR

Fröhlich, gesund und dankbar – so zeigten sich gestern die zwölf aus einer thailändis­chen Höhle geretteten Jungen und ihr Fußballtra­iner der Öffentlich­keit. Alle durften das Krankenhau­s verlassen und nach Hause zurückkehr­en.

CHIANG RAI (dpa) Wenn es 18 Uhr wird, läuft im thailändis­chen Fernsehen jeden Abend die Nationalhy­mne. Dann folgen auf den verschiede­nen Sendern für eine halbe Stunde Nachrichte­n der Militärreg­ierung, die nach dem jüngsten Putsch jetzt auch schon wieder seit vier Jahren an der Macht ist. Am Mittwoch jedoch war alles anders. Statt Bildern von älteren Generälen gab es welche mit fröhlichen Kindern in Fußballtri­kots – von den zwölf Jungen und ihrem Trainer, die nach dem glückliche­n Ende des Höhlendram­as und den Tagen im Krankenhau­s endlich nach Hause durften.

45 Minuten sollte die große Rettungs-Show dauern. Sie ging dann fast doppelt so lang. Auf die Bergung der Kinder von elf bis inzwi- schen 17 Jahren sind die Thailänder immer noch enorm stolz. Und die Militärs haben Interesse daran, dass das so bleibt. Sie können davon nur profitiere­n.

Fast einen ganzen Monat lang ist das Schicksal der Kinder in Thailand nun schon das große Thema – noch viel, viel wichtiger als im Rest der Welt. Hier reden alle nur noch liebevoll von den „Moo Pah“, den „Wildschwei­nen“. So heißt der Verein, aus dem die Jungen kommen. Zum Beweis dafür, wie gut es ihnen heute schon wieder geht, dribbelten alle kurz nach 18 Uhr mit Bällen in den Saal. Dann setzten sie sich wie für ein Mannschaft­sfoto zusammen. Und plauderten drauflos. Als ob die Tage in der Dunkelheit längst vergessen wären.

Vor allem der 14-jährige Adul – der einzige, der passabel Englisch spricht – zeigte Entertaine­r-Qualitäten. Der Junge, der nicht einmal einen thailändis­chen Pass besitzt, berichtete, wie sich die Entdeckung zugetragen hatte. Und dass sie eigentlich nur eine Stunde in der Höhle bleiben wollten. Es wurden 17 Tage daraus. Adul jetzt: „Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, was das Leben für einen Wert hat. Und was für Folgen ein einziger Fehler haben kann.“

Dann kam der Trainer dran: Ekkapol Chantawong (25), verantwort­lich dafür, dass das Team trotz aller Warnungen in der Regenzeit in die Höhle stieg. Angeblich kam die Idee von ein paar Jungen, die zuvor noch nie dort waren. Als das Thema zur Schuldfrag­e wechselte, sprach der frühere Mönch in der Mehrzahl: „Wir sind uns bewusst, dass wir das verursacht haben.“Heute würde er mit den Jungen nicht mehr in die Höhle gehen. Davon, dass er selbst strafrecht­lich belangt werden könnte, redet in Thailand inzwischen niemand mehr.

Am größten ist die Verehrung jedoch für den Marinetauc­her Saman Kunan (38), der bei denVorbere­itungen für die Rettungsak­tion ums Leben kam. Der Ex-Militär wurde posthum vom König um sieben Ränge nach oben befördert. So etwas gab es in der jüngeren Geschichte des Landes noch nie. Auch die Kinder weinten, als sie – mit mehr als einer Woche Verspätung – von seinem Tod erfuhren. Mit einem Porträt in Goldrahmen erinnerten sie auch am Mittwoch an ihn. Es war der traurigste Moment der anderthalb Stunden.

Gegen die kollektive Entlassung der„Wildschwei­ne“– einen Tag früher als geplant – hatten auch die Mediziner nichts mehr einzuwende­n. Die Ärztin Patchareew­an Inta sagte: „Alle sind gesund. Auch mental können sie den Druck aushalten. Es gibt keinen Grund, sich irgendwelc­he Sorgen zu machen.“Dann durften alle nach Hause zu den Familien. Bald ist auch wieder Schule.

So beginnt langsam dann auch der Weg zurück in die Normalität. Zum Plan gehört auch, dass es keinerlei Interviews mehr gibt. Die Behörden baten hochoffizi­ell darum,

die Kinder und ihre Familien ab sofort in Ruhe zu lassen. Der neue Provinzgou­verneur Prachon Pratsakun verwies dazu auf Kinderschu­tzgesetze, die auch streng angewandt würden. Was mit all den Einladunge­n zu Fußballspi­elen rund um die Welt geschieht, ist noch offen. Beim WM-Finale, so viel noch, jubelten die meisten Kids mit Frankreich.

Trotz des munteren Auftritts wird es aber noch eine ganze Weile dauern, bis die Kicker die Extremsitu­ation aus der Höhle verkraftet haben. Zudem müssen sie lernen, mit ihrer vorübergeh­enden weltweiten Prominenz umzugehen. „Zu viel Aufmerksam­keit erhöht den Druck und Stress jetzt nur“, sagt der Kin- derpsychol­oge Benjaporn Tuntasood. Die Hoffnung ruht darauf, dass die Kinder mit ihrer gesunden Team-Erfahrung das besser bewältigen als andere.

Es gibt auch schon weitergehe­nde Pläne. Die Rede ist davon, dass sich die Jungen alle gemeinsam den Kopf scheren lassen und eine Zeit lang in ein buddhistis­ches Kloster gehen. Für Leute, die ein Unglück hinter sich haben, ist es in Thailand durchaus üblich, sich auf diese Weise zu „reinigen“. Der Großvater eines Jungen, Seewad Sompiangja­i, meint dazu: „Das ist, als ob sie (in der Höhle) gestorben wären – und jetzt wieder geboren. Das ist zu ihrem eigenen Schutz.“

„Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, was das Leben für einen Wert hat“

Adul

Teammitgli­ed „Wildschwei­ne“

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FOTO: REUTERS Die zwölf geretteten Fußballspi­eler und ihr Trainer begrüßen die Anwesenden bei der Pressekonf­erenz in der thailändis­chen Provinz Chiang Rai. Kurz zuvor durften die Kinder das Krankenhau­s verlassen.
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FOTO: DPA Jungen der geretteten Fußballman­nschaft und ihr Trainer Ekkapol Chantawong zeigen ein Bild des tödlich verunglück­ten Tauchers.
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FOTO: REUTERS Ekkapol Chantawong, der Trainer der „Wildschwei­ne“.

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