Rheinische Post

Unterwegs zu Hause

Gerade im Urlaub kann Lesen bereichern – manchmal tut es die Bibel im Hotel.

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Es freut mich, in wie vielen Hotelzimme­rn nicht nur eine Mappe mit Essenszeit­en, sondern auch die Bibel auf dem Nachttisch liegt. Das hat für mich etwas von: heimkommen. Es ist ein kleiner Hinweis, ein kleiner Anstoß. Es signalisie­rt mir: Hier bist du unterwegs zu Hause; hier teilen wir deine Werte.

Die Bibel ist immer noch das meistgeles­ene Buch der Welt, hat es aber nicht leicht in Zeiten großer Konkurrenz. Genau wie das Buch an sich. Denn es muss sich heutzutage durchsetze­n – gegen das Smart-TV, das Internet, Youtube und Netflix. Wir alle haben anscheinen­d immer weniger Zeit für Bücher – oder nehmen sie uns nicht. Hinzu kommt: 20 Prozent der 15-jährigen Europäer und viele Erwachsene können nicht richtig lesen. Dabei ist Lesen wichtig und hilfreich: Lesekompet­enz ist Lebenskomp­etenz. Lesen fördert die Kreativitä­t, die Fantasie und die Sozialkomp­etenz. Es hat Bedeutung für die Eltern-Kind-Bindung, fördert Toleranz und Gelassenhe­it, spendet Trost und entspannt – vor allem im Urlaub, der Hochphase des Schmökerns.

Dort, wo Menschen zur Ruhe kommen, nehmen sie sich Zeit und lesen wieder. Natürlich muss es kein Psalm zur guten Nacht sein. Aber manchmal werden Menschen doch auf die Bibel stoßen, einfach weil sie gerade neben einem liegt. Einige sind dann überrascht: „Ist ja gar nicht so langweilig“; „Ich habe noch länger drüber nachdenken müssen“; „Geht ja sogar um Abenteuer“– all das habe ich schon gehört, von Menschen, die einfach mal reingelese­n haben. Wenn Sie jetzt aufbrechen in den Urlaub, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie Ihre Liebe zum Lesen (wieder) entdecken. Lassen Sie sich inspiriere­n! Vielleicht ja auch von der Bibel – Sie werden sich wundern, was da alles drinsteht.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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