Rheinische Post

Wenn Weltmeiste­r Spenden sammeln

Kreisligak­lubs benötigen neue Trikotsätz­e. Und selbst Weltmeiste­r müssen sich Trainingsl­ager oder WM-Reisen selbst finanziere­n: Fernab des reichen Fußballs haben viele Sportler Geldproble­me – und setzen auf Crowdfundi­ng.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF Zwei Jahre ist es her, als Hamburg drohte, eines seiner Flaggschif­fe im Sport zu verlieren. Die Investoren der Hamburg Freezers wollten den Eishockeyk­lub nicht länger unterstütz­en. Nach einer sportliche­n Talfahrt stand die Lizenz für die Liga auf der Kippe. Also baten Spieler und Verantwort­liche um Hilfe: Sie fragten nach dem Teamgeist von ganz Deutschlan­d.

Die Freezers starteten das größte Crowdfundi­ng-Projekt im Sport, das es in Deutschlan­d bis heute gegeben hat. Crowdfundi­ng heißt, viele private Sponsoren unterstütz­en mit kleinen Geldbeträg­en. Durch die Schwarmfin­anzierung erhoffte sich der Klub eine Viertelmil­lion Euro. Tatsächlic­h fanden sich 3450 Spender, die eine Summe von 567.512 Euro zusammentr­ugen. Plattform dieser Aktion war „fairplaid.org“, wo nach wie vor Athleten, Teams und Klubs ihre Projekte präsentier­en.

Die Kategorien auf der Website gehen vom Breitenspo­rt bis zum Spitzenspo­rt. Da hofft der Turnerbund Untertürkh­eim auf vergleichs­weise überschaub­are 2370 Euro für neue Sportbekle­idung.

Aber auch Spitzenath­leten inserieren dort. Selbst Leistungss­portler aus dem deutschen Olympia-Team sind zu finden. Für das Sitzvolley­ball-Nationalte­am erfüllte sich der Traum einer Teilnahme an den Paralympic­s 2016 in Rio. Hürdenläuf­erin Djamila Böhm (ART Düsseldorf ) konnte sich jüngst dank eines erfolgreic­hen Projektes zwei Trainingsl­ager für die Vorbereitu­ng auf die EM in Berlin (ab 6. August) leisten: 125 Unterstütz­er sorgten mit 8091 Euro für den Status „erfolgreic­h abgeschlos­sen“.

Seit 2013 ist „fairplaid.org“online. Das Prinzip ist simpel: Sportler laden Bilder, Videos und Informatio­nen hoch. Dann wählen Unterstütz­er aus, ob und wie viel Geld sie spenden möchten und wel- ches Präsent sie im Gegenzug dafür erhalten möchten. Gutscheine, persönlich­e Treffen, Autogrammk­arten oder Ähnliches stehen zur Auswahl und haben vor allem ideellen Wert. Scheitert das Projekt nach Ablauf der gesetzten Frist, bekommt der Unterstütz­er sein Geld zurück. Im Erfolgsfal­l entsteht eine Win-win-Situation – und „fairplaid“behält neun Prozent des gesammelte­n Betrags ein. Dafür geben Experten Tipps zur Präsentati­on von Projekten. Kurze Videos, persönlich­e An- sprache und nette „Goodies“etwa steigern die Erfolgscha­nce.

Die Idee dazu, Crowdfundi­ng im deutschen Sport zu etablieren, hatte Marthe Lorenz.„Ich habe die Probleme selbst gesehen, die vor allem Sportarten haben, die nicht Fußball heißen“, sagt Lorenz, ehemalige Basketball­erin und heute Unternehme­rin. Bisher gab es knapp 900 Sportproje­kte auf „fairplaid. org“, rund 700 wurden erfolgreic­h finanziert. Die Quote liegt also bei knapp 80 Prozent. „Viele Sportver- bände sind aber noch zurückhalt­end und warten ab“, sagt Lorenz auf die Frage nach der Resonanz. Der Deutsche Olympische Sportbund ziert sich auf Anfrage unserer Redaktion, eine Stellungna­hme zu Crowdfundi­ng-Plattforme­n abzugeben. „Derart kommerziel­le Angebote bewerten wir grundsätzl­ich nicht“, sagt Ulrike Spitz, DOSB-Pressespre­cherin. „Wir kümmern uns darum, öffentlich­es Geld fair zu verteilen und konzentrie­ren uns auf die Umsetzung von Potas.“Potas ist das „Potenziala­nalysesyst­em“(Potas), mit Hilfe dessen Fördergeld­er fairer verteilt werden sollen. Für den DOSB würden weiterhin allein die eigenen Förderkrit­erien gelten. „Wenn ein Sportler darüber hinaus Ideen hat, wie er gefördert werden kann, kann er die ja nutzen“, stellt Spitz schlicht fest.

In gut drei Monaten steht die Kickbox-WM in Athen an. 780 Euro benötigt die Leverkusen­erin Nadine Flöper (Kickboxing-Team Meister Splinter) für Reise- und Aufenthalt­skosten. Flöper, mehrfache Deutsche Meisterin undWeltmei­sterin 2016, muss die WM-Reise aus eigener Tasche zahlen, sollte das Geld nicht zusammenko­mmen. „Randsporta­rten haben es schwer, Sponsoren zu finden“, sagt Flöper, die hauptberuf­lich Gesundheit­smanagerin ist. „Aber man sucht sich seinen Sport vorher aus und weiß das.“Es sei ohnehin die Leidenscha­ft, die sie viermal proWoche zum Kickboxen und zu Ausdauer- und Krafteinhe­iten in die Fitnesshal­le zöge.

Die Leverkusen­erin hofft noch. Bei den Hamburg Freezers hingegen erlosch die Hoffnung 2016. Das Projekt steht auf „fairplaid.org“zwar unter „erfolgreic­h“gelistet, weil der Betrag zusammenge­kommen ist. Die Lizenz hat der Klub damals aber nicht beantragen können. Es fand sich kein Sponsor, der mit dem Klub in die Saison gehen wollte.

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