Wenn Weltmeister Spenden sammeln
Kreisligaklubs benötigen neue Trikotsätze. Und selbst Weltmeister müssen sich Trainingslager oder WM-Reisen selbst finanzieren: Fernab des reichen Fußballs haben viele Sportler Geldprobleme – und setzen auf Crowdfunding.
DÜSSELDORF Zwei Jahre ist es her, als Hamburg drohte, eines seiner Flaggschiffe im Sport zu verlieren. Die Investoren der Hamburg Freezers wollten den Eishockeyklub nicht länger unterstützen. Nach einer sportlichen Talfahrt stand die Lizenz für die Liga auf der Kippe. Also baten Spieler und Verantwortliche um Hilfe: Sie fragten nach dem Teamgeist von ganz Deutschland.
Die Freezers starteten das größte Crowdfunding-Projekt im Sport, das es in Deutschland bis heute gegeben hat. Crowdfunding heißt, viele private Sponsoren unterstützen mit kleinen Geldbeträgen. Durch die Schwarmfinanzierung erhoffte sich der Klub eine Viertelmillion Euro. Tatsächlich fanden sich 3450 Spender, die eine Summe von 567.512 Euro zusammentrugen. Plattform dieser Aktion war „fairplaid.org“, wo nach wie vor Athleten, Teams und Klubs ihre Projekte präsentieren.
Die Kategorien auf der Website gehen vom Breitensport bis zum Spitzensport. Da hofft der Turnerbund Untertürkheim auf vergleichsweise überschaubare 2370 Euro für neue Sportbekleidung.
Aber auch Spitzenathleten inserieren dort. Selbst Leistungssportler aus dem deutschen Olympia-Team sind zu finden. Für das Sitzvolleyball-Nationalteam erfüllte sich der Traum einer Teilnahme an den Paralympics 2016 in Rio. Hürdenläuferin Djamila Böhm (ART Düsseldorf ) konnte sich jüngst dank eines erfolgreichen Projektes zwei Trainingslager für die Vorbereitung auf die EM in Berlin (ab 6. August) leisten: 125 Unterstützer sorgten mit 8091 Euro für den Status „erfolgreich abgeschlossen“.
Seit 2013 ist „fairplaid.org“online. Das Prinzip ist simpel: Sportler laden Bilder, Videos und Informationen hoch. Dann wählen Unterstützer aus, ob und wie viel Geld sie spenden möchten und wel- ches Präsent sie im Gegenzug dafür erhalten möchten. Gutscheine, persönliche Treffen, Autogrammkarten oder Ähnliches stehen zur Auswahl und haben vor allem ideellen Wert. Scheitert das Projekt nach Ablauf der gesetzten Frist, bekommt der Unterstützer sein Geld zurück. Im Erfolgsfall entsteht eine Win-win-Situation – und „fairplaid“behält neun Prozent des gesammelten Betrags ein. Dafür geben Experten Tipps zur Präsentation von Projekten. Kurze Videos, persönliche An- sprache und nette „Goodies“etwa steigern die Erfolgschance.
Die Idee dazu, Crowdfunding im deutschen Sport zu etablieren, hatte Marthe Lorenz.„Ich habe die Probleme selbst gesehen, die vor allem Sportarten haben, die nicht Fußball heißen“, sagt Lorenz, ehemalige Basketballerin und heute Unternehmerin. Bisher gab es knapp 900 Sportprojekte auf „fairplaid. org“, rund 700 wurden erfolgreich finanziert. Die Quote liegt also bei knapp 80 Prozent. „Viele Sportver- bände sind aber noch zurückhaltend und warten ab“, sagt Lorenz auf die Frage nach der Resonanz. Der Deutsche Olympische Sportbund ziert sich auf Anfrage unserer Redaktion, eine Stellungnahme zu Crowdfunding-Plattformen abzugeben. „Derart kommerzielle Angebote bewerten wir grundsätzlich nicht“, sagt Ulrike Spitz, DOSB-Pressesprecherin. „Wir kümmern uns darum, öffentliches Geld fair zu verteilen und konzentrieren uns auf die Umsetzung von Potas.“Potas ist das „Potenzialanalysesystem“(Potas), mit Hilfe dessen Fördergelder fairer verteilt werden sollen. Für den DOSB würden weiterhin allein die eigenen Förderkriterien gelten. „Wenn ein Sportler darüber hinaus Ideen hat, wie er gefördert werden kann, kann er die ja nutzen“, stellt Spitz schlicht fest.
In gut drei Monaten steht die Kickbox-WM in Athen an. 780 Euro benötigt die Leverkusenerin Nadine Flöper (Kickboxing-Team Meister Splinter) für Reise- und Aufenthaltskosten. Flöper, mehrfache Deutsche Meisterin undWeltmeisterin 2016, muss die WM-Reise aus eigener Tasche zahlen, sollte das Geld nicht zusammenkommen. „Randsportarten haben es schwer, Sponsoren zu finden“, sagt Flöper, die hauptberuflich Gesundheitsmanagerin ist. „Aber man sucht sich seinen Sport vorher aus und weiß das.“Es sei ohnehin die Leidenschaft, die sie viermal proWoche zum Kickboxen und zu Ausdauer- und Krafteinheiten in die Fitnesshalle zöge.
Die Leverkusenerin hofft noch. Bei den Hamburg Freezers hingegen erlosch die Hoffnung 2016. Das Projekt steht auf „fairplaid.org“zwar unter „erfolgreich“gelistet, weil der Betrag zusammengekommen ist. Die Lizenz hat der Klub damals aber nicht beantragen können. Es fand sich kein Sponsor, der mit dem Klub in die Saison gehen wollte.