New Yorks Jazzer in Flingern
Bojan Vuletic setzt im Weltkunstzimmer seine „Recomposing Art“-Reihe fort.
Matt Morans Vibrafonspiel ist schlicht sensationell. Der schmächtige Amerikaner mit den wie elektrisiert gestylten Haaren flirrt mit seinen vier Klöppeln derart virtuos über die stählerne Klaviatur, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die perkussive Kraft, das unvergleichlich groovige Timing, dieses Gefühl für abgedrehte Harmonien und prägnante rhythmische Modelle machen ihn zu einem der Stars der Modern Creative.
Im sommerabendheißen Dämmer des Weltkunstzimmers steht er zusammen mit weiteren Ausnahmemusikern auf der Bühne des Asphalt-Festivals: mit dem Trompeter Nate Wooley, der in seinem Repertoire nicht nur verrückte End- los-Tontrauben in Permanentatmung parat hat, sondern auch wie selbstverständlich die Geräuschkulisse abrufen kann, die so eine Trompete freigibt, wenn man am Mundstück vorbeibläst, hineinsingt oder –grummelt, mit diversen Dämpfern Verfremdungen anstellt. Und der mit dem Saxofonisten Jon Irabagon, der ebenfalls ein Großer der New Yorker Jazz-Szene ist und ihm in nichts nachsteht, sein Instrument zu fast schockierender Expressivität treiben kann. Diesen drei Ausnahmemusikern sitzt das Mivos-Quartett bei, ein mit neuester Musik offenbar bestens vertrautes Streichquartett ebenfalls aus New York, auf dass Bojan Vuletics neuestes Werk standesgemäß uraufgeführt werde.
Denn das ist der Gegenstand dieses Abends: „beautiful in the sub- version of beauty“für Jazz-lastiges Kammerensemble, das der Festivalmacher als Nummer acht seiner „Recomposing Art“-Werkgruppe in die Welt gesetzt hat. Nach Stücken zu Kafka oder Richter überführt Vuletic diesmal eine ganze Reihe von – nach eigenen Worten – ihn „tief berührenden“Werken des Protagonisten des Abstrakten Expressionismus, des Malers Cy Twombly, in seine Musiksprache. Vor allem dessen Reflexe auf politische Verwerfungen in den USA, etwa die Kennedy-Ermordung oder Menschenrechts-Demos, haben esVuletic angetan, wohl auch Twomblys Anti-Kunst und seine wie hingekritzelte Beiläufigkeit, hinter der sich neue Kosmen auftun.
Die neue Komposition reicht dann aber nicht wirklich ans Vorbild heran. Wofür nicht zuletzt die epische Länge von fast 75 Minuten mitverantwortlich ist. Denn so interessant Vuletics Klänge auch sein mögen, das Interesse gerade an diversen repetitiven Pattern der Streicher verebbt bald. Im Wechsel zwischen Festgelegtem und Improvisiertem betören eher die Geistesblitze der einzelnen Musiker die Ohren als der durchkomponierte Satz. Ein langes, leises Flageolett-Gewusel der Cellistin bleibt ebenso in angenehmer Erinnerung wie ein geräuschvoll-kratziger Ausbruch der 1. Violine. Und natürlich dieses himmlische Vibrafonspiel, das immer wieder vermittelt, untermalt, aus sich herausbricht. Dazwischen viel Schwere statt hintersinniger Beiläufigkeit. Großer Beifall.