Rheinische Post

„Ich liebe einfach diese Wortspiele“

Der kleinwüchs­ige Künstler sieht seine Mini-Bar bei einem Musikfesti­val auch als einen Beitrag zur Inklusion.

-

WEEZE Für eine breite öffentlich­e Diskussion hat die„Mini-Bar“beim Parookavil­le-Festival am Niederrhei­n gesorgt: Kleinwüchs­ige servieren Kurze. Der Selbsthilf­everband der Kleinwüchs­igen (BKMF) hatte die Aktion heftig kritisiert. Das Ordnungsam­t Weeze sah allerdings keinen Anlass, sie zu unterbinde­n. Der Verband akzeptiert­e die Entscheidu­ng der Gemeinde, die Mini-Bar stattfinde­n zu lassen. „Unabhängig davon, geht es uns darum, dass hier Menschen – in diesem Fall Kleinwüchs­ige – auf ein körperlich­es Merkmal reduziert werden“, sagt Sprecher Michel Arriens. Eine solche Reduktion sei vor dem Ziel einer inklusiven Gesellscha­ft nicht hilfreich. Einer der Mitwirkend­en der Mini-Bar, Peter Gatzweiler von der Künstlergr­uppe Time Bandits, weist den Vorwurf zurück, er und seine zwei Kollegen würden mit dafür sorgen, dass Kleinwüchs­ige vorgeführt werden.

Hat Sie die heftige Reaktion des Selbsthilf­everbandes auf Ihre Mini-Bar überrascht?

Peter Gatzweiler Es ist nicht das erste Mal, dass wir vom BKMF torpediert werden, aber hier nimmt das neue Ausmaße an. Die Reaktion ist definitiv übertriebe­n. Wir sehen uns als Künstler und nutzen die Provokatio­n als Mittel, um Berührungs­ängste abzubauen und zum Nachdenken anzuregen. Die Arbeit des BKMF ist ebenfalls extrem wichtig, aber die Organisati­on bleibt in ihrem Kosmos, bleibt politisch korrekt.

Was heißt das?

Gatzweiler Da geht es einfach um die Frage, wie offensiv darf ich mit dem Thema Kleinwüchs­igkeit umgehen. Der Verband möchte nicht auffallen, keine Angriffsfl­äche bieten. Kleinwüchs­ige sollen Bürojobs nehmen, bloß nicht auffallen. Aber warum soll ich kein Friseur werden nur weil ich nicht so an den Kopf herankomme? Das ist Schwachsin­n. Wir wollen das offensiv angehen. Es ist auch Quatsch zu sagen, wir ma- chen das nur, weil wir sonst keinen Job kriegen. Als Time Bandits engagieren wir uns ebenfalls. Wir haben denVerein Größenwahn e.V. gegründet. Auch hier polarisier­en wir mit diesem Begriff. Uns geht es wie dem BMKF um Inklusion. Aber die Wege sind verschiede­n.

Aber werden durch Kleinwüchs­ige an der Mini-Bar nicht Klischees bedient?

Gatzweiler Natürlich bedienen wir Klischees. Hinter einer normalen Bar könnte ich gar nicht arbeiten, da sieht mich keiner. Ich liebe einfach diese Wortspiele, etwa das mit der Mini-Bar. Das gehört zu unserem Gesamtkonz­ept.Warum soll ich aus der Andersarti­gkeit nicht Kapital schlagen? Das ist ein echter Knochenjob.

Könnten sich aber nicht andere Kleinwüchs­ige dadurch unwohl und vorgeführt vorkommen? Gatzweiler Wir wissen von einigen Kleinwüchs­igen, die nicht gut finden, was wir machen. Das ist auch in Ordnung. Jeder kann seine Meinung frei sagen. Ich lasse mir die Arbeit nicht verbieten, das wäre ja so, als wenn ich einem Schauspiel­er verbiete, seinen Beruf auszuüben, nur weil ich seinen Film schlecht finde. Wir wissen selbst, dass der Grat hier sehr schmal ist. Wir nehmen auch längst nicht alle Anfragen an. Wir schauen genau, worum es bei der Sache geht. Uns vorführen lassen würden wir nie.

Ist die Mini-Bar denn ein Konzept extra für Parookavil­le? Gatzweiler Nein, wir sind seit zwei Jahren mit dem Konzept in ganz Europa unterwegs. Auch Red Bull nutzt die Geschichte beispielsw­eise, und die würden das sicher nicht machen, wenn sie befürchten würden, dass hier Vorurteile geschürt werden.

 ?? FOTO: G. EVERS ?? Peter Gatzweiler steht ab und zu auf der Bühne und vor der Kamera. Er sagt: „Ich möchte anderen Kleinwüchs­igen zeigen, dass sich niemand verstecken braucht.“
FOTO: G. EVERS Peter Gatzweiler steht ab und zu auf der Bühne und vor der Kamera. Er sagt: „Ich möchte anderen Kleinwüchs­igen zeigen, dass sich niemand verstecken braucht.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany