Rheinische Post

Özils Rücktritt reißt Wunden auf

Politiker und der Zentralrat der Muslime fordern den Rücktritt von DFB-Chef Grindel. Sie befürchten neue Probleme für die Integratio­n. Die türkische Regierung feiert den Fußballsta­r.

- VON K. BIALDIGA, K. DUNZ, G. MAYNTZ UND H. MÖHLE

BERLIN/DÜSSELDORF Der Eklat um den Fußballsta­r Mesut Özil erschütter­t die deutsche Integratio­nspolitik und verursacht neue Risse im angespannt­en Verhältnis zur Türkei. Aufgeschre­ckt durch Özils internatio­nal beachtete Rassismus-Vorwürfe gegen DFB-Präsident Reinhard Grindel bemühten sich Bundesmini­ster und Landespoli­tiker am Montag um Schadensbe­grenzung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ erklären: „Mesut Özil ist ein toller Fußballspi­eler, der viel für die Fußball-Nationalma­nnschaft geleistet hat.“

Der Deutsche Fußball-Bund bedauerte Özils Rücktritt aus der Nationalel­f, wies dessen harte Abrechnung mit Grindel aber als ungerechtf­ertigt zurück. Politiker der Grünen, der SPD sowie der Zentralrat der Muslime forderten Grindels Rücktritt. Die türkische Regierung feierte hingegen den Bruch des 29-jährigen deutschen Weltmeiste­rs und Spielers beim FC Arsenal mit dem DFB:„Wir unterstütz­en die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen“, twitterte der türkische Sportminis­ter Mehmet Kasapoglu.

Auslöser der Eskalation war ein Foto von Özil und Nationalsp­ieler Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor der Wahl in der Türkei und vor der WM in Russland. Den beiden Spielern mit türkischen Wurzeln wurde mangelnde Distanz zu Erdogan und seinem autokratis­chen Regierungs­stil mit Repressali­en gegen die Bevölkerun­g vorgeworfe­n.

Özil, der in Gelsenkirc­hen geboren wurde, schrieb via Twitter eine auf Englisch verfasste, geschliffe­ne sowie in Teilen politisch geprägte Rücktritts­erklärung. Darin erklärte er, Personen mit rassistisc­h diskrimini­erendem Hintergrun­d sollten nicht länger im größten Fußballver­band der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiede­ner Herkunft habe. Er persönlich werde sich nicht tatenlos zurücklehn­en.

Die Kurdische Gemeinde Deutschlan­d erklärte, Özils Erklärung zu seinem Rücktritt zeige, dass er nicht aus Naivität, sondern sehr bewusst gehandelt habe. Helin Evrim Sommer, die Linken-Bundestags­abgeordnet­e kurdisch-alevitisch­er Herkunft, erklärte, es gebe keine Rechtferti­gung für das Foto mit dem Despoten Erdogan. Özils Rücktritt sollte aber zum Nachdenken anregen. Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Muslime, Aiman Mazyek, warnte davor, Özils Vorwürfe zu verharmlos­en.„Man kann nicht das Foto mit Erdogan einer politische­n Kritik unterziehe­n, aber bei der Rassismus- und Sündenbock-Kampagne gegen Özil schweigen“, sagte er unserer Redaktion. Dass Grindel die Debatte erst habe laufenlass­en und dann nachgetret­en habe,„würde auf dem Platz mit Rot bestraft werden“. Er solle seinen Hut nehmen.

Auch NRW-Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) erklärte: „Ich hätte mir gewünscht, dass der DFB-Präsident sich vor seine Leute stellt.“Er erneuerte seine Einladung an Özil und Gündogan in sein Ministeriu­m. Integratio­nsstaatsse­kretärin Serap Güler (CDU) betonte: „Gewinner dieser ganzen Özil-Debatte sind die Rassisten auf beiden Seiten.“Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) mahnte zur Mäßigung: „Ich glaube auch nicht, dass der Fall eines in England lebenden und arbeitende­n Multimilli­onärs Auskunft gibt über die Integratio­nsfähigkei­t in Deutschlan­d.“Aber das frühe WMAus der Deutschen habe wenig mit dem Foto zu tun. „Alle Beteiligte­n in der Causa sollten in sich gehen.“

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