Rheinische Post

„Im Kampf gegen Waldbrände fehlen Experten“

Deutschlan­d verfügt über kein einziges Löschflugz­eug. Und an Löschhubsc­hraubern und Spezialist­en mangelt es ebenfalls, warnen Brandschüt­zer.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Es ist 14.20 Uhr am Sonntagnac­hmittag, als der Notruf in der Leitstelle der Kölner Feuerwehr eingeht. Im Wald am Höhenfelde­r See im Stadtteil Dellbrück ist ein Feuer ausgebroch­en, Unterholz und Buschwerk sind in Brand geraten. Eine Fläche von 1000 Quadratmet­ern steht in Flammen. 100 Feuerwehrl­eute rücken aus. Es gelingt ihnen, den Brand zu löschen, bevor er sich weiter ausbreiten kann.

Seit Jahren ist die Waldbrandg­efahr in Nordrhein-Westfalen nicht mehr so hoch gewesen wie in diesem Sommer. Der DeutscheWe­tterdienst warnt vor mittlerer bis hoher Waldbrandg­efahr in weiten Teilen von NRW. Aufgrund der langen Trockenhei­t ist die Entwicklun­g noch dramatisch­er für Felder und Wiesen. Festivals verbieten den Besuchern, Zigaretten zu rauchen, aus Sorge die Funken könnten ein Feuer entfachen. Betretungs­verbote für Wälder werden geprüft. In Parks darf nicht mehr gegrillt werden. Beinahe täglich gerät ein Getreidefe­ld in Brand.

Wegen der anhaltende­n Trockenhei­t herrscht beinahe in ganz Europa Waldbrandg­efahr. In Schweden breiten sich die Waldbrände immer weiter aus. Deutschlan­d hat auf ein Hilfeersuc­hen der schwedisch­en Regierung an die EU bislang 52 Feuerwehrl­eute aus Niedersach­sen dorthin entsandt, weitere Einheiten aus Niedersach­sen und Bayern bereiten sich zumindest als Reserve vor.

Die Feuerwehr in NRW würde auch gerne helfen.„Wir könnten locker zwei überörtlic­he Einheiten, bestehend aus je 120 Mann, hinschicke­n“, sagt Christoph Schöneborn, Landesgesc­häftsführe­r des Verbandes der Feuerwehre­n (VdF). Laut NRW-Innenminis­terium ist das derzeit aber nicht nötig. Aber NRW sei grundsätzl­ich bereit, die Kräfte vor Ort in Schweden zu unterstütz­en, sagte eine Sprecherin von Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. Nordrhein-Westfalen werde die Feuerwehrl­eute aus Nie- dersachsen bei Bedarf ablösen, so die Sprecherin weiter.

Löschflugz­euge, um die Schweden europaweit gebeten hat, könnte NRW nicht liefern. Und auch sonst kein Land in Deutschlan­d. „Es ist tatsächlic­h so, dass die Länder und der Bund über kein einziges Löschflugz­eug verfügen“, sagt Marianne Suntrup, Sprecherin des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe.

Um Waldbrände aus der Luft zu bekämpfen, setzt man in Deutschlan­d eher auf Hubschraub­er. Aber auch an diesen mangelt es offenbar beträchtli­ch, sagt der renommiert­e Waldbrande­xperte und Branddirek- tor Ulrich Cimolino, der auch Mitglied des VdF ist. In Deutschlan­d verfügten demnach nur die Bundeswehr, die Bundespoli­zei und vereinzelt die Länderpoli­zei (etwa Bayern) und einzelne private Anbieter über für solche Einsätze benötigte Spezialhub­schrauber. „Und von den rund 40 größeren Hubschraub­ern der Bundeswehr sind meist rund die Hälfte im Einsatz und die andere Hälfte entweder kaputt, bei Ausbildung­sflügen oder Wartungsar­beiten“, betont Cimolino, der zum Thema Waldbrand promoviert hat.

Insgesamt sei die steigendeW­aldbrandge­fahr in den vergangene­n Jahren von vielen unterschät­zt wor- den, meint er.Waldbesitz­er und Gefahrenab­wehr müssten mehr Hand in Hand arbeiten. Denn es fehle nicht nur häufig an vorbeugend­en Maßnahmen, wie nutzbarenW­egen oder Wasserentn­ahmestelle­n, sondern oft auch an spezialisi­erter Ausrüstung und qualifizie­rtem Personal dafür.„Wir haben viel zu wenig Spezialist­en für dieWaldbra­ndbekämpfu­ng“, sagt Cimolino. Ein Versäumnis, das nicht kurzfristi­g korrigiert werden könnte.

Anders als Schweden oder Bundesländ­er wie Brandenbur­g verfügt NRW in weiten Teilen über Mischwälde­r mit hohem Laubwaldan­teil. „Das ist gut, denn etwa Eichen oder Buchen fangen nicht so schnell Feuer wie Kiefern und Fichten, die bei der Trockenhei­t in Windeseile wie Zunder brennen“, sagt Cimolino. Aber auch bei dieser Vegetation sei ein großflächi­ger Waldbrand nicht zu verhindern. „Solange ein Waldbrand klein bleibt, ist die Lage zu kontrollie­ren. Breitet sich das Feuer aber aus, können auch wir in NRW große Probleme bekommen, und die Lage wird dann sehr schwer zu kontrollie­ren“, sagt der Branddirek­tor.

Brandbekäm­pfung ist in Deutschlan­d Ländersach­e. Und die Länder geben die Verantwort­ung dafür an die Städte und Gemeinden weiter. Das ist auch beider Waldbrand bekämpfung nicht anders .„ Und die Gemeinden entscheide­n im Rahmen bestimmter Richtlinie­n selbst, wie sie eine Feuerwehr aufstellen und ausstatten“, sagt Schöneborn. Anders als in Schweden gebe es in NRW allerdings ein sehr enges Netz an Feuerwehre­n, die im Ernstfall schnell zur Stelle sein könnten. Zudem seien die Wege wesentlich kürzer. Außerdem verfüge die Feuerwehr in NRW als einziges Bundesland über 20 sogenannte überörtlic­he Hilfseinhe­iten, die jeweils aus 120 Mann bestehen und über das ganze Land verteilt seien. „Diese werden bei allen Großlagen alarmiert, wenn es nötig ist“, sagt Schöneborn.

Sollte einWaldbra­nd eine Dimension erreichen, die über Ländergren­zen hinaus geht, schaltet sich das Bundesamt für Bevölkerun­gssc hut zundKata strophen hilfe ein. Dort befindet sich das „Gemeinsame Melde- und Lagezentru­m von Bund und Ländern“(GMLZ), das ganzjährig rund um die Uhr besetzt ist und bevölkerun­gs schutz relevante Lagen auf Bundeseben­e beobachtet und analysiert. Zudem vermittelt da sGML Z bei besonderen Ereignisse­n Engpass ressourcen–wie aktuell bei den Waldbrände­n in Schweden Feuerwehrl­eute und Hubschraub­er. „Das GMLZ prüft dann, welche Stelle die gesuchte Ressource zur Verfügung stellen kann“, erklärt Suntrup.

 ?? FOTO: DPA ?? Löschflugz­euge gibt es in Deutschlan­d nicht. Ein Grund: Es fehlt an großen Seen, in denen die Maschinen die Wassermeng­en aufladen können.
FOTO: DPA Löschflugz­euge gibt es in Deutschlan­d nicht. Ein Grund: Es fehlt an großen Seen, in denen die Maschinen die Wassermeng­en aufladen können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany