Der Club der Versager
Das Vorgehen des Deutschen Fußball-Bundes im Fall Özil gleicht einer Fehlerkette. Ein Krisenmanagement ist nicht erkennbar. Präsident Reinhard Grindel steht mehr denn je in der Kritik. Özils Rassismus-Vorwurf weist er zurück.
DÜSSELDORF Bodo Kirf berät Unternehmen in Sachen Krisenkommunikation. Was in einer Krise zu tun ist, um die Reputation zu schützen und Schaden abzuwenden.Wenn der Inhaber der Düsseldorfer PR-Agentur „DJM Communication“die Handhabe des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit dem Fall Mesut Özil bewerten soll, kommt er zu einem eindeutigen Urteil: „Ein Blick auf die Chronologie des Falls zeigt, dass das Krisenmanagement beim Deutschen Fußball-Bund in diesem Fall optimierungsbedürftig gewesen ist“, sagt Kirf.
Dabei machten der Verband und sein Präsident Grindel unmittelbar nach Veröffentlichung der Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan noch eine gute Figur – findet der Kommunikationswissenschaftler. Der Verband habe angemessen reagiert, indem er öffentlich Kritik an seinen Nationalspielern übte. „Trotz dieser Kritik stand der DFB immer noch hinter seinen beiden Spielern und versuchte, das Thema schnell aus der medialen Wahrnehmung zu moderieren und für beendet zu erklären“, sagt Kirf.
Doch nach dem frühen WMAus ging es schnell dahin mit dem, was man als gutes Krisenmanagement bezeichnen würde. Grindel und DFB-Manager Oliver Bierhoff rückten das Thema wieder in den Fokus, indem Grindel eine gründliche Aufbereitung forderte und Bierhoff Fehler des DFB im Umgang mit der Causa eingestand.„Dann wird es richtig skurril“, findet Kirf. „Bierhoff rudert zurück und lässt verlauten, er habe sich ,da offenbar falsch aus- gedrückt‘. Bei einem funktionierenden Krisenmanagement hätte so etwas nicht passieren dürfen. Anstatt zu versuchen, das Thema zu beruhigen, lässt Grindel es weiter eskalieren und fordert öffentlich eine Stellungnahme Özils ein.“
Und so ist es dann auch vor allem Grindel, auf den sich die Kritik fokussiert. Es ist Özils Kritik, der ihm Rassismus unterstellt, wenn er mitteilt: „In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren.“Doch auch die Kritik der Öffentlich- keit wächst, wirft Grindel Geltungsdrang und das Kleben an seinem Posten vor. Den Rassismus-Vorwurf Özils wirft der Verband am Montag zurück. Dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, weise man in aller Deutlichkeit zurück, heißt es. Immerhin: In derselben Erklärung findet sich zum ersten Mal in diesem Fall etwas, was viele Beobachter schonWochen früher als angebracht angesehen hätten: Selbstkritik. „Die Bilder mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan haben bei vielen Menschen in Deutschland Fragen aufgeworfen. Dass der DFB im Umgang mit dem Thema dazu auch einen Beitrag geleistet hat, räumen wir selbstkritisch ein.“
Die Frage, die sich nun stellt, ist die, ob Grindel und mit ihm auch Bierhoff als mächtiger Vermarkter des Kunstprodukts Nationalmannschaft die Nachwehen des Özil-Rücktritts überleben. Besonders Grindel sieht sich mehr Gegenwind denn je ausgesetzt. Denn in Mesut Özil kehrt immerhin das Vorzeigebeispiel gelungener Integration durch den Fußball – eines Prestigeobjekts des DFB – der Nati- onalelf den Rücken – mit dem Hinweis auf den Präsidenten als Hauptschuldigen. Hinzu kommt: Der Fall wird längst nicht mehr in den Grenzen des Sports gesehen, es ist eine gesellschaftliche Debatte daraus entstanden. Über das Gelingen oder Nicht-Gelingen von Integration über den Umgang in Deutschland mitVorbildern mit Migrationshintergrund. Und bei all dem fällt gerade Grindel die Rolle des bösen Buben zu.
Der Deutsche Fußball-Bund darf sich ab sofort also dem nächsten Krisenmanagement widmen.