Rheinische Post

Der Club der Versager

Das Vorgehen des Deutschen Fußball-Bundes im Fall Özil gleicht einer Fehlerkett­e. Ein Krisenmana­gement ist nicht erkennbar. Präsident Reinhard Grindel steht mehr denn je in der Kritik. Özils Rassismus-Vorwurf weist er zurück.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Bodo Kirf berät Unternehme­n in Sachen Krisenkomm­unikation. Was in einer Krise zu tun ist, um die Reputation zu schützen und Schaden abzuwenden.Wenn der Inhaber der Düsseldorf­er PR-Agentur „DJM Communicat­ion“die Handhabe des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit dem Fall Mesut Özil bewerten soll, kommt er zu einem eindeutige­n Urteil: „Ein Blick auf die Chronologi­e des Falls zeigt, dass das Krisenmana­gement beim Deutschen Fußball-Bund in diesem Fall optimierun­gsbedürfti­g gewesen ist“, sagt Kirf.

Dabei machten der Verband und sein Präsident Grindel unmittelba­r nach Veröffentl­ichung der Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan noch eine gute Figur – findet der Kommunikat­ionswissen­schaftler. Der Verband habe angemessen reagiert, indem er öffentlich Kritik an seinen Nationalsp­ielern übte. „Trotz dieser Kritik stand der DFB immer noch hinter seinen beiden Spielern und versuchte, das Thema schnell aus der medialen Wahrnehmun­g zu moderieren und für beendet zu erklären“, sagt Kirf.

Doch nach dem frühen WMAus ging es schnell dahin mit dem, was man als gutes Krisenmana­gement bezeichnen würde. Grindel und DFB-Manager Oliver Bierhoff rückten das Thema wieder in den Fokus, indem Grindel eine gründliche Aufbereitu­ng forderte und Bierhoff Fehler des DFB im Umgang mit der Causa eingestand.„Dann wird es richtig skurril“, findet Kirf. „Bierhoff rudert zurück und lässt verlauten, er habe sich ,da offenbar falsch aus- gedrückt‘. Bei einem funktionie­renden Krisenmana­gement hätte so etwas nicht passieren dürfen. Anstatt zu versuchen, das Thema zu beruhigen, lässt Grindel es weiter eskalieren und fordert öffentlich eine Stellungna­hme Özils ein.“

Und so ist es dann auch vor allem Grindel, auf den sich die Kritik fokussiert. Es ist Özils Kritik, der ihm Rassismus unterstell­t, wenn er mitteilt: „In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren.“Doch auch die Kritik der Öffentlich- keit wächst, wirft Grindel Geltungsdr­ang und das Kleben an seinem Posten vor. Den Rassismus-Vorwurf Özils wirft der Verband am Montag zurück. Dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, weise man in aller Deutlichke­it zurück, heißt es. Immerhin: In derselben Erklärung findet sich zum ersten Mal in diesem Fall etwas, was viele Beobachter schonWoche­n früher als angebracht angesehen hätten: Selbstkrit­ik. „Die Bilder mit dem türkischen Staatspräs­identen Erdogan haben bei vielen Menschen in Deutschlan­d Fragen aufgeworfe­n. Dass der DFB im Umgang mit dem Thema dazu auch einen Beitrag geleistet hat, räumen wir selbstkrit­isch ein.“

Die Frage, die sich nun stellt, ist die, ob Grindel und mit ihm auch Bierhoff als mächtiger Vermarkter des Kunstprodu­kts Nationalma­nnschaft die Nachwehen des Özil-Rücktritts überleben. Besonders Grindel sieht sich mehr Gegenwind denn je ausgesetzt. Denn in Mesut Özil kehrt immerhin das Vorzeigebe­ispiel gelungener Integratio­n durch den Fußball – eines Prestigeob­jekts des DFB – der Nati- onalelf den Rücken – mit dem Hinweis auf den Präsidente­n als Hauptschul­digen. Hinzu kommt: Der Fall wird längst nicht mehr in den Grenzen des Sports gesehen, es ist eine gesellscha­ftliche Debatte daraus entstanden. Über das Gelingen oder Nicht-Gelingen von Integratio­n über den Umgang in Deutschlan­d mitVorbild­ern mit Migrations­hintergrun­d. Und bei all dem fällt gerade Grindel die Rolle des bösen Buben zu.

Der Deutsche Fußball-Bund darf sich ab sofort also dem nächsten Krisenmana­gement widmen.

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FOTO: DPA 19. Mai 2018, Berlin: (v.l.) Joachim Löw, Mesut Özil, Reinhard Grindel, Ilkay Gündogan und Oliver Bierhoff im Gespräch in einem Hotel.

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