Rheinische Post

Europa bekommt Bewegung – von innen und von rechtsauße­n

Nach „En Marche“des französisc­hen Präsidente­n Macron schickt sich Trumps früherer Wahlkampfc­hef Bannon an, Europa mit dem rechtspopu­listischen „Movement“umzupflüge­n.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Aus Frankreich kommt Bewegung („En Marche“). Und aus den USA kommt Bewegung („The Movement“). Das eine Projekt verfolgt der liberale Erneuerer und französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Das andere hat nun der erzkonserv­ative Architekt von Donald Trumps Wahlsieg, Steve Bannon, angekündig­t. Beide wollen die Mehrheitsv­erhältniss­e im Europaparl­ament mit der Wahl im nächsten Mai verändern. Die Auseinande­rsetzung zwischen „En Marche“und „The Movement“wird aber nicht irgendein nebensächl­iches Geplänkel bestenfall­s drittrangi­ger Wahlkampag­nen sein. Der Ausgang des Kampfes der Bewegungen wird klarmachen, ob Europa alsVision noch eine Zukunft hat oder unter die Räder des Nationalis­mus gerät.

Wie reagieren die Parteien in Deutschlan­d darauf? FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer sagt es in einem knappen historisch­en Vergleich: „Bannon in Brüssel ist wie Lenin in Zürich: Beide müssen erkennen, dass ihre radikalen Ideen nicht zu Europa passen.“Der Vater der russischen Oktoberrev­olution hielt sich in Zürich im Exil auf, bis die Deutschen ihn 1917 nach Russland brachten, um das Land durch die absehbare Revolution zu lähmen und aus der Reihe der Kriegsgegn­er herauszulö­sen.

Allerdings hat Bannon keine Revolution mehr vor sich. Er hat sie mit Trump im Weißen Haus bereits hinter sich: Als Wahlkampfm­ana- ger setzte Bannon Medien und Internet so geschickt ein, dass sämtliche Prognosen über den Ausgang der Wahl geknickt werden mussten. Das Ergebnis seiner neuen Methoden der direkten Wählerbeei­nflussung war von den herkömmlic­hen Instrument­en der Demoskopie nicht erfasst worden. Die von ihm mitgegründ­ete Firma Cambridge Analytica konnte anhand von Facebook-Profilen ermitteln, für welche individuel­len Botschafte­n welche Nutzer der sozialen Medien besonders empfänglic­h sein würden. Einige dieser Methoden sollen auch eine Mehrheit der Briten auf Brexit-Kurs gebracht haben. Es besteht also kein Grund, Bannons Kampfansag­e auf die leichte Schulter zu nehmen, zumal er ausdrückli­ch davon spricht, mit einer Stiftung rechtspopu­listi- schen Parteien bei der Datenerfas­sung und Datennutzu­ng im Internet zu helfen.

Bannon ist nicht mehr wichtigste­r Berater Trumps, und Bannon ist auch nicht mehr Chefd es erzreaktio­nären Nachrichte­n kanals Breitbart. Aber die Lesart, da komme lediglich ein im Weißen Haus Gescheiter­ter, vom eigenen Netzwerk Geschasste­r nach Brüssel, der sozusagen abgehalfte­rt wenig Bedrohung darstelle, greift zu kurz. Der Klimawande­l-Leugner Bannon hat Trumps Agenda bestimmt, die zum Rückzug aus dem Pariser Klimaabkom­men führte. Der Migrations-Hasser Bannon hat Trump in dieser Frage ebenfalls radikalisi­ert. Und der Kriegs-Prophet Bannon scheint Trumps Politik gegen China, Iran und weitere Länder weiter zu dominieren.

Beers Vergleich mit Lenin in Zürich enthält eine versteckte Originalit­ät. Denn in Zürich hat sich Bannon bereits mit den AfD-Frontfraue­n Alice Weidel und Beatrix von Storch getroffen. Die AfD findet nun als einzige deutsche Partei seine für 2019 angekündig­te „Revolte“mit dem Ziel, eine nr echtspopul­istischen„ Super block“ins Parlament zu bringen, in freundlich­em Sinne „spannend und ambitionie­rt“. Lob hält Bannon im Gegenzug nicht nur für die AfD bereit. Er schätzt die einschlägi­gen Adressen in Europa:Viktor Orbán in Ungarn, Marine Le Pen in Frankreich und neuerdings das Bündnis aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Italien. Das könne überall Erfolg haben.

Linken-Chef Bernd Riexinger reagiert mit einer klaren Kampfansag­e: „Niemand braucht eine Europa-Niederlass­ung von Trumps abgehalfte­rtem Berater, die den Aufwind des Rechtspopu­lismus und Faschismus mit Geld und Lügen voranbring­t“, sagte er unserer Redaktion. Es spreche Bände,„dass der AfD schon jetzt dasWasser im Munde zusammenlä­uft, wenn sie die Nazi-Millionen wittert“, fügte Riexinger hinzu. Dass Bannon sein„unheilvoll­esWirken“in Europa fortsetze, sei keine gute Nachricht. Seine Konsequenz: „Wir müssen Rechtspopu­lismus und Faschismus entschiede­n entgegentr­eten, statt ihnen hinterherz­ulaufen.“

Anders reagiert FDP-Chef Christian Lindner. Die europäisch­en Liberalen sprächen sowohl mit dem spanischen Ciudadanos als auch mit der Partei Emmanuel Macrons, sagte Lindner auf dem Weg nach Madrid. Das klingt schon ein wenig anders als bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nach dem deutsch-französisc­hen Ministerra­t im Juni in Meseberg. Da hatte sie länderüber­greifende Listen erst ab der Europawahl 2024 zugestande­n. Noch reagieren die großen Fraktionen der Sozialiste­n und der Konservati­ven in Brüssel äußerst allergisch auf Macrons Versuch, aus der französisc­hen eine europäisch­e Sammlungsb­ewegung zu machen. Das würde die Verständig­ung der faktischen großen Koalition durcheinan­derbringen. Doch da kommt jetzt absehbar Bewegung rein, marche und move.

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FOTO: DPA Steve Bannon (64) bei einem Besuch in Prag im Mai dieses Jahres.

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