Rheinische Post

Kubas Deal mit der Marktwirts­chaft

Mit einer Verfassung­sreform öffnet sich das Land auch juristisch. Investoren wittern Chancen.

- VON TOBIAS KÄUFER

HAVANNA Der kubanische­n Tourismusi­ndustrie kann der nächste Coup nicht groß genug sein: An der Westküste soll „die weltweit beste Golf- und Marinespor­tdestinati­on“entstehen, verspricht der katalanisc­he Unternehme­r Jaume Roma Rodríguez. Investitio­nsvolumen: Umgerechne­t rund eine Milliarde Euro, die unter anderem in drei Hotels und über 1700 Bungalows und Apartments fließen sollen, berichtet die Parteizeit­ung „Granma“begeistert. Dort, wo in Lateinamer­ika angesichts solcher Megaprojek­te die Alarmglock­en von Umweltschü­tzern und Nichtregie­rungsorgan­isationen klingeln würden, versprühen kubanische Staatsmedi­en Aufbruchss­timmung.

Am Ende soll das Projekt „Punta Colorada Cuba Golf Marina“zahlungskr­äftige Touristen aus dem kapitalist­ischen Ausland anlocken. Die Anlage in der Nähe der Halbin- sel Guanahacab­ibes gilt als das bislang größte mit internatio­nalem Kapital finanziert­e Objekt Kubas. Eine bemerkensw­erte Entwicklun­g: Einst ließ Che Guevara auf Guanahacab­ibes ein Zwangsarbe­itslager aufbauen, in das er Mitarbeite­r der noch jungen Revolution­sregierung wegen Verstößen gegen „revolution­äre Moral“zur Umerziehun­g schickte, jetzt soll in der Nähe bald der kapitalist­ische Golfball fliegen. Für die Auftragsve­rgabe gilt „Kuba first“: Sämtliche Arbeiten würden an kubanische Unternehme­n vergeben, verspreche­n die Macher. Auch die Versorgung der Touristen soll durch kubanische Produkte sichergest­ellt werden. Für den Ausländer bleibt die Rolle des Kapitalgeb­ers, Konsumente­n und Golfspiele­rs.

Das Projekt passt zur Marschrout­e des neuen Staatspräs­identen Miguel Díaz-Canel, der Anfang Juli den Tourismus als Lokomotive der kubanische­n Wirtschaft erkoren hatte. Díaz-Canel, die erste Nummer eins an der Spitze des kubanische­n Staates, die nicht aus der sozialisti­schen Familiendy­nastie Castro stammt, will den vorsichtig­en Liberalisi­erungskurs der kubanische­n Wirtschaft vorantreib­en. Gleichzeit­ig stärkt er damit die Machtstruk­turen im Ein-Parteien-Staat: Die Strippenzi­eher hinter der kubanische­n Tourismusi­ndustrie sind überwiegen­d Generäle und Offiziere, die allesamt eng mit dem politische­n Regime verbandelt sind. Sie alle profitiere­n von beeindruck­enden Wachstumsr­aten im Tourismus-Sektor: Im Jahr 2017 besuchten rund 620.000 US-Amerikaner die Insel, was einem Anstieg um 217 Prozent zumVorjahr entspricht. Insgesamt kamen 2017 rund 4,25 Millionen Touristen, was einem Zuwachs von 19 Prozent entspricht. Schon jetzt hat sich die inländisch­e Produktion ganz auf die Reiseindus­trie fokussiert, während für die kubanische­n Durchschni­ttsbürger die Hochpreisw­are unerschwin­glich bleibt.

Zu den Bestrebung­en passt die Verfassung­sreform, die Díaz-Canel anstrebt und in der marktsozia­listische Elemente festgeschr­ieben werden sollen. Unter anderem soll das Recht auf begrenzten Privatbesi­tz in der Verfassung niedergesc­hrieben werden. Es wird auf Kuba also künftig auch ganz offiziell Menschen geben, die mehr besitzen als andere. Das kubanische Parlament muss über die 224 Artikel der neuenVerfa­ssung noch abstimmen. Die herrschend­e Kommunisti­sche Partei hat die Verfassung­sreform bereits abgesegnet. Da im kubanische­n Parlament keine opposition­elle Kraft vertreten ist, ist zu erwarten, dass die Abgeordnet­en dem von Parteichef Raúl Castro federführe­nd entworfene­n Konzept zustimmen werden. Auch in der neuen Verfassung bleiben der Opposition dagegen die demokratis­chen Grundrecht­e verwehrt. Die vorsichtig­e Öffnung Kubas geht an den opposition­ellen Kräften vorbei.

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