Rheinische Post

Ehning und die jungen Wilden

Der 44-jährige Routinier ist die entscheide­nde Figur beim Umbruch im deutschen Springreit­en. Der Westfale unterstrei­cht beim CHIO seine Bedeutung als Leitwolf der jungen Equipe und überzeugt auch als Einzelkämp­fer.

- VON TOBIAS SCHWYTER

AACHEN (sid) Ein Mann der großen Worte war Marcus Ehning noch nie. In Momenten des großen Erfolgs bemüht der Springreit­er lieber seinen knappen, trockenen Humor. „Lief ganz gut“, witzelte er so nach seinem Triumph im Großen Preis von Aachen. Der überborden­den Aussagen bedurfte es auch gar nicht, schließlic­h hatte der 44-Jährige beim CHIO schon im Parcours seine Rolle als Schlüsself­igur der deutschen Equipe eindrucksv­oll untermauer­t.

„Marcus ist unser Leitwolf“, adelte Bundestrai­ner Otto Becker Ehning nach dessen zweitem Erfolg beim Höhepunkt in der Soers nach 2006: „Auch wenn er ein eher leises Auftreten hat, gibt er unseren jungen Reitern unglaublic­hen Halt. Er hilft ihnen, sie schauen zu ihm auf und sie glauben ihm.“ Otto Becker Bundestrai­ner

Nach Rücktritte­n und Querelen mit dem Verband standen Becker erfahrene Spitzenrei­ter auf einmal nicht mehr zur Verfügung, viele Toppferde waren verletzt, verkauft oder im Ruhestand. Der 59-Jährige baute ein neues, junges Team rund um Routinier Ehning auf – und auf den war Verlass. „Gerade im letzten und auch in diesem Jahr war er unglaublic­h wichtig für mich“, sagte der Bundestrai­ner.

Als alter Hase im Pferdespor­t strahlt Ehning Ruhe und Gelassenhe­it aus. Nach dem überrasche­nden Sieg im Nationenpr­eis am Donnerstag­abend hatte der Familienva­ter für bewegende Bilder gesorgt, als er tief in der Nacht auf dem Abreitepla­tz seine vier kleinen Kinder herzte und Küsschen verteilte. Als „Papa“der jungen Springreit­er-Equipe fühle er sich aber nicht, sagte er und flachste: „Ich bin froh, dass ich noch mithalten kann.“Und wie er das konnte, auf und neben dem Parcours.

Auf seinem „extrem schnellen“Pret a Tout, dem 15-jährigen Wal-

lach mit dem „unglaublic­h guten Charakter“, zeigte Ehning im Großen Preis Springspor­t der Extraklass­e. Und auch im Nationenpr­eis war er „ein ganz entscheide­nder Baustein für den Sieg“, sagte Becker: „Nicht nur, weil er die letzte Nullrunde geritten hat.“

Ehning ist der Mann, an dem sich die jungen Wilden orientiere­n. „Sie hören auf das, was er sagt“, erklärte Becker: „Und er gibt immer ehrliche Antworten.“Angeführt vom Borkener gab die Equipe um Laura Klaphake (24), Maurice Tebbel (24) und Simone Blum (29) beim Bundestrai­ner ein überzeugen­des Bewerbungs­schreiben für die WM in Tryon/North Carolina (11. bis 23. September) ab, die Chemie im Team stimmt.

„Wir sind drei junge Leute und haben drei gute Pferde. Wir verstehen uns alle und haben einen guten Draht“, sagte Tebbel: „Und Marcus weiß einfach genau, was er machen muss.“

Schließlic­h ist Ehning der einzige Reiter mit großer internatio­naler Erfahrung aus der siegreiche­n CHIO-Equipe. Als dieser im Jahr 2000 in Sydney zusammen mit Becker Olympia-Gold im Team holte, waren Klaphake und Tebbel gerade einmal sechs Jahre alt und somit dem Schaukelpf­erd entwachsen. „Ich habe auch so angefangen wie die“, sagte Ehning. Und wie es erfolgreic­h weitergeht, weiß der „Leitwolf“ja.

„Auch wenn Marcus ein eher leises Auftreten hat, gibt er unseren jungen Reitern unglaublic­hen Halt, sie schauen zu ihm auf“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Seht her, ich habe gewonnen: Marcus Ehning reitet auf seinem Erfolgspfe­rd Pret a Tout zur Siegerehru­ng des Großen Preises von Aachen am Sonntag.
FOTO: IMAGO Seht her, ich habe gewonnen: Marcus Ehning reitet auf seinem Erfolgspfe­rd Pret a Tout zur Siegerehru­ng des Großen Preises von Aachen am Sonntag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany