Rheinische Post

Wehrhahn-Prozess: Geständnis beim Hofgang?

Ein weiterer Mithäftlin­g des Angeklagte­n behauptet, der habe ihm den Anschlag am S-Bahnhof gestanden. Ralf S. soll ihm auch ein Attentat auf den Staatsanwa­lt angekündig­t haben.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Am 32. Verhandlun­gstag gegen Ralf S., dem zwölffache­r Mordversuc­h aus Fremdenfei­ndlichkeit vorgeworfe­n wird, hat am Montag ein ehemaliger Mitgefange­ner ausgesagt. S., der im Mai aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden war, habe ihm imWinter beim gemeinsame­n Hofgang erzählt, der Anschlag sei anders ausgegange­n als geplant. „Eigentlich sollten alle draufgehen“, habe S. gesagt und auf den Hinweis des Zeugen, bei der Explosion habe doch eine Frau ihr ungeborene­s Kind verloren, soll er geantworte haben: „Das nennt man dann wohl gelungene Euthanasie“.

Der Zeuge, der im vergangene­n Herbst bei einer Geiselnahm­e in Krefeld festgenomm­en wurde, hatte sich bei den Anklägern gemeldet, als S. auf freien Fuß gesetzt wurde. Bis dahin hatte er das Geständnis für sich behalten wollen, nun aber gedacht, dass seine Aussage für das Verfahren von Bedeutung sei. Bei seinem ersten Auftritt im Gericht allerdings hatte er geschwiege­n, sogar eine Beugehaft in Kauf genommen, aus Angst vor dem Angeklagte­n. Denn der habe nicht nur den Sprengstof­fanschlag gestanden, sondern ihm auch klipp und klar gesagt: „Jeder, der für den Staatsanwa­lt arbeitet, wird fallen.“

Den Staatsanwa­lt selbst soll S. als Juden bezeichnet haben, der von der Jüdischen Gemeinde gedeckt werde. Die schleuse ohnehin Juden ein, um Deutschlan­d zu unterwande­rn. Und gegen den Staatsanwa­lt habe er bereits im Internet eine „Propaganda-Phase“gestartet, mit dem Ziel, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, den Ankläger zu diffamiere­n.Wenn dem dann etwas passiere, „könnte es jeder gewesen sein“. Er habe, sagte der Zeuge, nie zuvor einen so kalten, berechnend­en Menschen kennengele­rnt wie den Angeklagte­n, und er sei sicher, dass der die Ermordung des Staatsanwa­ltes plane.

.Dass S. sich dem Zeugen anvertraut­e, habe wohl zwei Gründe gehabt: Zum einen seien die meisten Mitgefange­nen Ausländer gewese. Und zum anderen trägt der Zeuge ein Hakenkreuz auf der Haut. Dass die Tätowierun­g aus einer anderen Zeit stammt, er mit der rechten Szene schon lange nichts mehr zu tun habe, das habe er S. zwar immer wieder gesagt. Doch der habe ihn nicht ernst genommen – bis zu seinem angebliche­n Geständnis im Gefängnish­of. „Danach ist ihm wohl bewusst geworden, was er mir gesagt hatte“, vermutet der Zeuge. Denn tags darauf habe S. sein Verhalten geändert, habe die Mitgefange­nen gegen ihn aufgehetzt und jedem erzählt, der Zeuge sei vom Staatsanwa­lt beauftragt, ihn, S., zu töten. Am Ende habe der Zeuge derart unter der Atmosphäre gelitten, dass er nur einen Suizidvers­uch als Ausweg sah. Danach kam er ins Krankenhau­s, und als er zurück in die JVA kam, hatte das Schwurgeri­cht S. auf freien Fuß gesetzt.

Erst nachdem der Zeuge in eine andere Haftanstal­t verlegt wurde, war er bereit, mit der Polizei und nun auch vor Gericht zu sprechen. Die Verteidigu­ng hat arge Zweifel an seinen Aussagen. Denn der drogenkran­ke Mann hatte auch erzählt, S. habe ihn womöglich mit einem Medikament zu vergiften versucht. Doch die Herzbeschw­erden, die er danach hatte, habe er niemandem

gemeldet, aus Angst, man könne ihm nicht glauben. Und auf einem der vielen Zettel in seiner Zelle hatte er S. sogar geschriebe­n, dass er mit einem Mordauftra­g des Staatsanwa­lts ins Gefängnis gekommen sei. „Du hattest Recht, es ist eine jüdische Verschwöru­ng gegen dich“, stand darauf. Den habe er geschriebe­n, als er versucht hatte, sich umzubringe­n, sagte der Zeuge. „Ich wusste ja, dass er paranoid ist, da wollte ich ihm einen mitgeben.“Doch als er sich die Sache mit dem Selbstmord anders überlegt hatte, habe er den Zettel nicht weitergege­ben, sondern versteckt.

S. schildert seine Bekanntsch­aft mit dem Zeugen freilich andersheru­m. Der sei zum Islam „kompensier­t“, gehöre zu IS und Taliban und rede nur von Drogen. Gestanden habe er ihm gar nichts, schließlic­h „habe ich mit dem beknackten Wehrhahn nichts zu tun“, sagte S. aggressiv. „Der Staatsanwa­lt jagt einen Geist.“Er plane nicht. den Ankläger zu töten. Aber „wir werden keine Freunde. Er sollte sich bei mir entschuldi­gen. Er hat mir alles kaputt gemacht“, erklärte S., nachdem seine jüngsten Tiraden aus dem Internet vom Gericht verlesen worden waren.

Der Prozess wird am Donnerstag mit den Plädoyers fortgesetz­t.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Ralf S. versteckt hinter einem Ordner beim Prozessauf­takt im Januar mit einem seiner Anwälte

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