Das Radioteleskop Effelsberg erforscht die Tiefen des Weltalls.
Seit knapp 50 Jahren erforscht das Radioteleskop Effelsberg die Tiefen des Weltalls. Vor Ort können Besucher bei Vorträgen und Wanderungen Einblick in die Forschung des Max-Planck-Instituts nehmen.
EFFELSBERG Astronom Norbert Junkes weiß, wie er Zuhörer beeindrucken kann. „Wie viele Planeten gibt es?“, fragt er und lässt das Publikum im Besucherpavillon am Radioteleskop Effelsberg raten. Vorsichtige Schätzungen von ein paar Hunderten muss er deutlich nach oben korrigieren:„3782 Planeten sind außerhalb unseres Sonnensystems bekannt.“Nächste Schätzfrage:Wie schnell ist das Licht? „300.000 Kilometer pro Sekunde“, verrät er. „Zum Mond braucht das Licht 1,3 Sekunden, zur Sonne immerhin etwa acht Minuten“, berichtet er weiter. Die Milchstraße beherberge etwa 100 Milliarden Sterne und habe einen Durchmesser von mehr als 100.000 Lichtjahren. „Gewaltige Zahlen.“Stumme Zustimmung aus dem Publikum. Dabei gehe es hier nur um „unsere“Galaxie, die Milchstraße, und somit um unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft. Nicht nur die jüngsten Zuhörer machen große Augen.
Eine gemischte Gruppe von etwa 50 Personen ist an diesem Samstag im Besucherpavillon erschienen, um Junkes zu lauschen. Mit jeder Menge Bildern, Videos und Geschichten versucht er eine Stunde lang, ihnen das Teleskop näher zu bringen. Seit 1972 erforscht das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) damit das Weltall. „Radioastronomie ist die Wissenschaft des kalten Weltalls“, erklärt der Astronom. „Das sind nicht so sehr die Sterne selber, sondern das Material da- zwischen. Gas- und Staubwolken, in denen die nächste Generation von Sternen heranwächst.“Aber auch ihr Tod wird, zum Beispiel in Form von Pulsaren (schnell rotierenden Neutronensternen), untersucht, immer mit der Frage im Hinterkopf: Wie ist eigentlich das Universum entstanden?
In Punkto Reichweite seien Radioteleskope optischen Teleskopen zuweilen überlegen, erzählt Junkes. Letzteren trübten„kosmische Staubwolken“an manchen Stellen den Blick in die Tiefen des Weltalls, denn das Licht könne sie nicht durchdringen – im Gegensatz zu Radiowellen. Man könne mit Radioteleskopen bis zu einem Zeitpunkt etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall „zurückblicken“(vorher sei das Universum eine„undurchsichtige Elementarteilchensuppe“gewesen).
Für den Standort Effelsberg an der Grenze von NRW zu Rheinland-Pfalz sprach die abgelegene Lage in einem Tal, das nach Süden offen ist und somit den aufschlussreichen„Blick“auf das Zentrum der Milchstraße ermöglicht. Mit einem Mythos räumt Junkes auf: Zwar musste für die Konstruktion des Teleskops ein Bach verlegt werden. „Aber mit dem Bach wurde nicht automatisch auch die Landesgrenze verlegt“, korrigiert der Astronom frühere Berichte.
Auch fast 50 Jahre nach seiner Inbetriebnahme ist das Effelsberger Teleskop mit seinen 100 Metern Durchmesser immer noch das größte Europas.Weltweit ist nur das Green-Bank-Observatorium im US-Bundesstaat West Virginia mit 102 Metern Durchmesser größer. 3200 Tonnen bringt der Eifeler Koloss auf die Waage – trotzdem kann die Schüssel bis auf 0,3 Millimeter genau ausgerichtet werden. Bei maximaler Geschwindigkeit dauert eine Umdrehung knapp eine Viertelstunde. Ein kompletter Anstrich benötigt 15 Jahre und verschlingt zirka 30 Tonnen Farbe.
Doch Radioastronomen haben ein Problem: Der Horizont wird immer kleiner – bildlich gesprochen. Elektrosmog von der Erde – W-Lan, Handynetze, sogar Mikrowellenherde – strahlen milliardenfach stärker, als außerirdische Quellen. Junkes bringt einen Vergleich: Würde man ein Handy aus den 90ern mit zweiWatt Sendeleistung auf den Mond schießen, würde es die drittstärkste Strahlungsquelle am Nachthimmel darstellen.
Kurz vor Schluss bleibt noch Zeit für Fragen: Was das Teleskop gekostet hat, will ein Besucher wissen. „34 Millionen D-Mark“, antwortet der Astronom. Heute entspräche das rund 17 Millionen Euro.„Wie lange hat der Bau gedauert?“, fragt ein anderer Zuhörer. Auch diese Zahl kennt der Referent für Öffentlichkeitsarbeit am MPIfR aus dem Effeff: Dreieinhalb Jahre. Von April bis Oktober hält er oder einer seiner Kollegen am Institut bis zu sechs Mal am Tag einen solchen Vortrag. Aus schlappen 399 stetig aktualisierten Folien können sie dabei auswählen.
Auf drei Themenwanderwegen rund um das Teleskop kann man nach demVortrag zu Fuß dasWeltall ergründen. „Der Planetenwanderweg repräsentiert die fünf Milliarden Kilometer von der Sonne bis zum Zwergplanet Pluto“, sagt Junkes. Die knapp 800 Meter lange Asphaltstraße widmet sich auf der Strecke vom Parkplatz zum Besucherpavillon den Planeten und dem Zentralstern unseres Sonnensystems.
Auf dem Milchstraßenweg informieren auf mehr als vier Kilometern Tafeln über den Krabbennebel, Beteigeuze und den Dreifachstern Alpha Centauri. Pro gewandertem Kilometer legt man 10.000 Lichtjahre zurück. Die Strecke, gekennzeichnet durch ein rotes Teleskop auf weißem Grund, beginnt an der Aussichtsplattform und endet in Burgsahr, einem Ortsteil von Kirchsahr. Wem die eigene Galaxie noch zu klein ist, der kann sich auf dem Galaxienweg ganz weit entfernten Dingen widmen: Die Strecke beginnt an einer Kreuzung östlich des Teleskops, verläuft am Waldrand entlang, bevor sie steil ansteigt und in den Wald führt. Zielpunkt ist die Martinshütte in Kirchsahr. Unterwegs führt ein blaues Teleskop auf weißem Grund durchs Tal.