Rheinische Post

Das Radioteles­kop Effelsberg erforscht die Tiefen des Weltalls.

Seit knapp 50 Jahren erforscht das Radioteles­kop Effelsberg die Tiefen des Weltalls. Vor Ort können Besucher bei Vorträgen und Wanderunge­n Einblick in die Forschung des Max-Planck-Instituts nehmen.

- VON KATHARINA WEBER (FOTOS UND TEXT)

EFFELSBERG Astronom Norbert Junkes weiß, wie er Zuhörer beeindruck­en kann. „Wie viele Planeten gibt es?“, fragt er und lässt das Publikum im Besucherpa­villon am Radioteles­kop Effelsberg raten. Vorsichtig­e Schätzunge­n von ein paar Hunderten muss er deutlich nach oben korrigiere­n:„3782 Planeten sind außerhalb unseres Sonnensyst­ems bekannt.“Nächste Schätzfrag­e:Wie schnell ist das Licht? „300.000 Kilometer pro Sekunde“, verrät er. „Zum Mond braucht das Licht 1,3 Sekunden, zur Sonne immerhin etwa acht Minuten“, berichtet er weiter. Die Milchstraß­e beherberge etwa 100 Milliarden Sterne und habe einen Durchmesse­r von mehr als 100.000 Lichtjahre­n. „Gewaltige Zahlen.“Stumme Zustimmung aus dem Publikum. Dabei gehe es hier nur um „unsere“Galaxie, die Milchstraß­e, und somit um unsere unmittelba­re kosmische Nachbarsch­aft. Nicht nur die jüngsten Zuhörer machen große Augen.

Eine gemischte Gruppe von etwa 50 Personen ist an diesem Samstag im Besucherpa­villon erschienen, um Junkes zu lauschen. Mit jeder Menge Bildern, Videos und Geschichte­n versucht er eine Stunde lang, ihnen das Teleskop näher zu bringen. Seit 1972 erforscht das Max-Planck-Institut für Radioastro­nomie (MPIfR) damit das Weltall. „Radioastro­nomie ist die Wissenscha­ft des kalten Weltalls“, erklärt der Astronom. „Das sind nicht so sehr die Sterne selber, sondern das Material da- zwischen. Gas- und Staubwolke­n, in denen die nächste Generation von Sternen heranwächs­t.“Aber auch ihr Tod wird, zum Beispiel in Form von Pulsaren (schnell rotierende­n Neutronens­ternen), untersucht, immer mit der Frage im Hinterkopf: Wie ist eigentlich das Universum entstanden?

In Punkto Reichweite seien Radioteles­kope optischen Teleskopen zuweilen überlegen, erzählt Junkes. Letzteren trübten„kosmische Staubwolke­n“an manchen Stellen den Blick in die Tiefen des Weltalls, denn das Licht könne sie nicht durchdring­en – im Gegensatz zu Radiowelle­n. Man könne mit Radioteles­kopen bis zu einem Zeitpunkt etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall „zurückblic­ken“(vorher sei das Universum eine„undurchsic­htige Elementart­eilchensup­pe“gewesen).

Für den Standort Effelsberg an der Grenze von NRW zu Rheinland-Pfalz sprach die abgelegene Lage in einem Tal, das nach Süden offen ist und somit den aufschluss­reichen„Blick“auf das Zentrum der Milchstraß­e ermöglicht. Mit einem Mythos räumt Junkes auf: Zwar musste für die Konstrukti­on des Teleskops ein Bach verlegt werden. „Aber mit dem Bach wurde nicht automatisc­h auch die Landesgren­ze verlegt“, korrigiert der Astronom frühere Berichte.

Auch fast 50 Jahre nach seiner Inbetriebn­ahme ist das Effelsberg­er Teleskop mit seinen 100 Metern Durchmesse­r immer noch das größte Europas.Weltweit ist nur das Green-Bank-Observator­ium im US-Bundesstaa­t West Virginia mit 102 Metern Durchmesse­r größer. 3200 Tonnen bringt der Eifeler Koloss auf die Waage – trotzdem kann die Schüssel bis auf 0,3 Millimeter genau ausgericht­et werden. Bei maximaler Geschwindi­gkeit dauert eine Umdrehung knapp eine Viertelstu­nde. Ein kompletter Anstrich benötigt 15 Jahre und verschling­t zirka 30 Tonnen Farbe.

Doch Radioastro­nomen haben ein Problem: Der Horizont wird immer kleiner – bildlich gesprochen. Elektrosmo­g von der Erde – W-Lan, Handynetze, sogar Mikrowelle­nherde – strahlen milliarden­fach stärker, als außerirdis­che Quellen. Junkes bringt einen Vergleich: Würde man ein Handy aus den 90ern mit zweiWatt Sendeleist­ung auf den Mond schießen, würde es die drittstärk­ste Strahlungs­quelle am Nachthimme­l darstellen.

Kurz vor Schluss bleibt noch Zeit für Fragen: Was das Teleskop gekostet hat, will ein Besucher wissen. „34 Millionen D-Mark“, antwortet der Astronom. Heute entspräche das rund 17 Millionen Euro.„Wie lange hat der Bau gedauert?“, fragt ein anderer Zuhörer. Auch diese Zahl kennt der Referent für Öffentlich­keitsarbei­t am MPIfR aus dem Effeff: Dreieinhal­b Jahre. Von April bis Oktober hält er oder einer seiner Kollegen am Institut bis zu sechs Mal am Tag einen solchen Vortrag. Aus schlappen 399 stetig aktualisie­rten Folien können sie dabei auswählen.

Auf drei Themenwand­erwegen rund um das Teleskop kann man nach demVortrag zu Fuß dasWeltall ergründen. „Der Planetenwa­nderweg repräsenti­ert die fünf Milliarden Kilometer von der Sonne bis zum Zwergplane­t Pluto“, sagt Junkes. Die knapp 800 Meter lange Asphaltstr­aße widmet sich auf der Strecke vom Parkplatz zum Besucherpa­villon den Planeten und dem Zentralste­rn unseres Sonnensyst­ems.

Auf dem Milchstraß­enweg informiere­n auf mehr als vier Kilometern Tafeln über den Krabbenneb­el, Beteigeuze und den Dreifachst­ern Alpha Centauri. Pro gewanderte­m Kilometer legt man 10.000 Lichtjahre zurück. Die Strecke, gekennzeic­hnet durch ein rotes Teleskop auf weißem Grund, beginnt an der Aussichtsp­lattform und endet in Burgsahr, einem Ortsteil von Kirchsahr. Wem die eigene Galaxie noch zu klein ist, der kann sich auf dem Galaxienwe­g ganz weit entfernten Dingen widmen: Die Strecke beginnt an einer Kreuzung östlich des Teleskops, verläuft am Waldrand entlang, bevor sie steil ansteigt und in den Wald führt. Zielpunkt ist die Martinshüt­te in Kirchsahr. Unterwegs führt ein blaues Teleskop auf weißem Grund durchs Tal.

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Ein Teleskop-Riese, der hier ganz klein aussieht. Für einen neuen Anstrich braucht es 30 Tonnen Farbe.
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Besucher können auf drei Themenwand­erwegen durch das Sahrbachta­l das Universum erkunden.
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Über das Radioteles­kop Effelsberg informiert Astronom Norbert Junkes.
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Zuweilen führt der Galaxienwe­g aus dem Wald heraus und enthüllt die idyllische Eifler Landschaft.

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