Rheinische Post

Verfassung­sschutz meldet „Boom“in allen Geschäftsf­eldern

Gewaltbere­itschaft und -potenzial nehmen bei Links- wie Rechtsextr­emisten weiter zu. Sorgen bereiten auch die Kinder der Islamisten.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Es braut sich was zusammen über Deutschlan­d. 13.000 gewaltbere­ite Rechtsextr­emisten, 9000 gewaltbere­ite Linksextre­misten, 774 islamistis­che Gefährder, die jederzeit Anschläge begehen könnten. Schon diese Zahlen aus seinem jüngsten Jahresberi­cht für 2017 bereiten Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen Sorgen. Dazu kommen mehr oder weniger unübersich­tliche Verbindung­en an den Rändern.

Da ist ganz links der seit den G-20-Gewaltorgi­en in Hamburg als erfolgreic­h zu wertende Versuch, Brücken von Linksextre­misten über Linksradik­ale bis zu den Linken zu bauen, und damit die Akzeptanz für Gewalt in Teilen der Gesellscha­ft zu erhöhen. Und da ist auf der anderen Seite die Entwicklun­g in der rechten Szene, wo die Identitäre­n und die Reichsbürg­er über Zulauf offenbar nicht klagen können und die in Einzelfäll­en bis in die Anhängersc­haft der AfD reicht. 10.000 Reichsbürg­er vor zwei Jahren, 16.500 im Jahres- bericht, und inzwischen schätzen die Behörden das Potenzial derer, die diesen Staat nicht anerkennen und zu unvorherse­hbaren Reaktionen neigen, auf 18.000 ein. Sie eint der Hang zu Waffen.

Zudem haben viele der sehr unterschie­dlich aufgestell­ten und wenig organisier­ten Reichsbürg­er antisemiti­sche Einstellun­gen. Das findet auch der Zentralrat der Juden besorgnise­rregend und fordert, „dass die Politik stärkere Maßnahmen gegen Rechtsextr­emismus ergreifen muss“. Bundesinne­nminis- ter Horst Seehofer (CSU) macht an der Seite Maaßens klar, dass „auf deutschem Boden für Judenhass kein Platz“sei.

„In allen unseren Geschäftsf­eldern boomt es weiter, leider“, meint Maaßen leicht sarkastisc­h. Damit bezieht er auch die Spionageab­wehr und die Cyberattac­ken mit ein. Monatlich 52.000 Angriffe auf das Regierungs­netzwerk, im vergangene­n Jahr auch Angriffe auf 23 deutsche Universitä­ten. Da will sich Maaßen nicht zu tief in die Karten schauen lassen und fällt Seehofer ins Wort, als der freudig verkünden will, wie viele neue Stellen der Bundestag dem Bundesamt für Verfassung­sschutz genehmigt hat. Er nennt lieber andere Zahlen: die 2300 Observatio­nen, die die BfV-Mitarbeite­r allein mit 460.000 Stunden Aufwand im vergangene­n Jahr leisteten – die Hälfte davon, um Islamisten im Auge zu behalten. Kinder sind nicht darunter, die sind für die Verfassung­sschützer tabu. Aber um rund 300 macht sich Maaßen gleichwohl besondere Gedanken. Die seien mitten im Islamische­n Staat groß geworden, lebten jetzt in Deutschlan­d, seien aber im Zeichen einer „Umkehr der uns bekannten Lebenswert­e“erzogen worden.

Die Bedrohung aus der auf 11.200 Personen angewachse­nen Salafisten-Szene bezieht Maaßen auf„vier M“. Die Gefahr der Radikalisi­erung Einzelner habe zu tun mit Männern, Muslimen, Migranten und deren Misserfolg. Und sie ist regional zu verorten. Schwerpunk­te lägen in Berlin, Hamburg, Frankfurt und im Rhein-Ruhr-Gebiet zwischen Dinslaken und Bonn-Bad Godesberg.

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