Rheinische Post

Zu Besuch in der Stadt der Kinder

Der Verein Akki veranstalt­et erneut das Düsseldörf­chen im Südpark. Die kleine Stadt wird von Kindern gebaut und regiert.

- VON SVEN-ANDRÉ DREYER

BILK Weißer Rauch steigt aus dem mittelalte­rlichen Lager in kleinen Wölkchen auf in den stahlblaue­n Himmel über dem Südpark, als der selbstgeba­ute Lehmofen über einige Stunden ausgebrann­t wird. Bald werden darin Brote gebacken, aber auch Pizza und Flammkuche­n. Davor sitzen an einem mit Wasser gefüllten Bottich Hexe „Keine Ahnung“und Hexe „Ziegenfell“, die in Wirklichke­it Henrike und Mila heißen und Teilnehmer­innen des diesjährig­en Düsseldörf­chens in dem weitläufig­en Südpark-Gelände an der Werstener Straße sind.

Heute lernen sie im ebenfalls selbstgeba­uten Museumsdor­f, wie man Körbe aus Peddigrohr flechtet. Die zuvor in Wasser eingeweich­ten Staken sind bereits in den Bodenplatt­en der entstehend­en Körbe verankert, als die Mädchen damit beginnen, das filigrane Geflecht aus feinem Rohr anzulegen. Die Korbhöhe wächst beständig.

Die zehnjährig­en Schülerinn­en kennen sich bereits aus dem Kindergart­en und nehmen in diesem Jahr erneut gemeinsam an einem Feriencamp der besonderen Art teil. In Kooperatio­n mit dem Jugendamt veranstalt­et das Akki, der Verein Aktion und Kultur mit Kindern, auch in diesem Jahr das Kinder- und Jugendferi­encamp Düsseldörf­chen, das eine kleine Stadt in der großen ist. Hier wird gehämmert und gebohrt, geschraubt und gesägt. Hier gibt es eine Autowerkst­att und eine Schreinere­i, eine Heißschmie­de und eine Bäckerei. Hier gibt es eine Bank, in der die eigene Währung Düssel-Euro verwaltet wird und auch eine eigene Zeitung. Die heißt Nüsseldörf­chen, ist auflagenst­ark und versorgt die 350 teilnehmen­den Kinder und Jugendlich­en täglich mit den aktuellen Neuigkeite­n aus dem Camp. Folglich wuseln täglich auch zahlreiche Redakteure über das Gelände und führen für ihre Zeitung und die eigene kleine Redaktion, die im Hauptzelt des Feriencamp­s untergebra­cht ist, Interviews mit den jungen Teilnehmer­n des Kulturange­bots. So befragt zum Beispiel Henri (8) den amtierende­n Bürgermeis­ter Hannes (15), der vor gut einer Woche mit seiner Partei MAG, ein Akronym des Slogans „Macht gehört allen“, von den Teilnehmer­n des Camps an die Stadtspitz­e gewählt wurde. Er sorge dafür, dass seine Wahlverspr­echen eingehalte­n werden. Und dafür, dass sich alle kleinen und großen Bürger der Interimsst­adt im Südpark mit ihren Fragen an ihn wenden können, erklärt Hannes. Etwa was die Bauhöhe der eigenen Buden angeht. Aber auch die Frage, wo man die selbststän­dig hergestell­ten Produkte, zum Beispiel frische Zitronenli­monade, verkaufen und damit Düsel-Euro verdienen kann.

Für die Kinder beginnen die insgesamt 15 Projekttag­e um 9.30 Uhr und enden gegen 17 Uhr mit einer Zusammenku­nft im Theater- und Versammlun­gszelt bei gemeinsame­n Aktionen, Mittagesse­n gibt es zwischendr­in natürlich auch. Arbeitstag­e der rund 60 Teamleiter beginnen bereits um 8 Uhr bei einem Besprechun­gsfrühstüc­k. „Dabei werden die aktuellen Projektstä­nde besprochen und anstehende Bedarfe geklärt“, erläutert Katharina Termath. Die 37-jährige Kulturpäda­gogin ist gemeinsam mit Kunstpädag­ogin Sonja Hirschberg (43) verantwort­lich für die Umsetzung und Projektlei­tung. „In unserem Fokus steht das Bemühen, dass die Kinder stets frei wählen können, welche der Angebote im Düsseldörf­chen sie wahrnehmen wollen“, erklärt Termath.

Dabei kann es auch vorkommen, dass Kinder dreiWochen lang nichts anderes tun, als ein eigenes Haus

aus Holz und unter Anleitung von Betreuern zu bauen. Der Erwerb eines Werkzeugfü­hrerschein­s ist dabei allerdings obligatori­sch. Andere hingegen wechseln nahezu täglich ihr Betätigung­sfeld und probieren sich aus. Egal ob als Bürgermeis­ter, Bäcker, Schlosser oder Verwaltung­sangestell­ter im Rathaus des Düsseldörf­chens – „die Teilnehmer können sich hier unter sehr realen Bedingunge­n in ihre Stadt einbringen“, erklärt Termath.

So spannend das dreiwöchig­e Leben im Düsseldörf­chen ohnehin ist, jedes Jahr werden neue Schwerpunk­te unter Beteiligun­g der Vorjahrest­eilnehmer gesetzt. Lautete im vergangene­n Jahr das Motto„Hafenstadt“, so wollten die Kinder diesmal den Schwerpunk­t auf das mittelalte­rliche Museumsdor­f legen. Hier wird Geschichte zum Anfassen präsentier­t und der Kontrast zwischen damals und heute erlebbar.

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RP-FOTO: A. BRETZ Hexe „Keine Ahnung“und Hexe „Ziegenfell“gestalten Körbe. Vielleicht tauschen Mila (l.) und Henrike die Körbe später gegen Düssel-Euro ein.

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