Rheinische Post

Das große Nullsummen­spiel

Warum gab es eigentlich nie eine Massenbewe­gung für bessere Inklusion?

- FRANK VOLLMER

Vergangene Woche war hier die Rede von der Rückkehr zur neunjährig­en Gymnasialz­eit in NRW. Bei Twitter entstand daraus eine kleine Leserdisku­ssion, die auf die Frage hinauslief: Hätten die Politiker nicht besser das viele Geld statt in G 9 in die Inklusion gesteckt, also den gemeinsame­n Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap? Dahinter steht die Frage, ob Bildungspo­litik ein Nullsummen­spiel ist. Ob, anders gesagt, immer nur eine begrenzte Menge machbar ist. Organisato­risch sicher – keine Regierung kann alles zugleich anpacken. Auch finanziell – es ist nicht Geld für alles da. (Wobei die Selbstvers­tändlichke­it, mit der NRW Hunderte Millionen für die Rückkehr zu G 9 aufbringt, schon grübeln lässt.)

Am Ende aber dürfte vor allem gelten: Es ist offenbar immer nur eine begrenzte Menge Aufmerksam­keit für die vielen Probleme da. Ein Gesetz zur Inklusion mit Qualitätss­tandards, wie sie jetzt kommen sollen, wenn auch recht allgemein gehalten, hätte NRW schon vor drei, vier Jahren gebraucht. Aber Unmut in einer Dimension, die die Regierungs­parteien zur Kursänderu­ng gezwungen hätte, gab’s nur beim G 8. Eine Massenbewe­gung für bessere Inklusion kam nie zustande, obwohl es gute Gründe für die Annahme gibt, dass der Handlungsb­edarf hier dringender war als beim Gymnasium. G 8 abschaffen – kann man machen, das ist eine Frage des politische­n Willens (polemisch gesagt: politische­r Luxus). Inklusion verantwort­ungsvoll gestalten – das ist kein Luxus, keine Flause, sondern die Umsetzung eines Menschenre­chts. Jetzt dreht NRW die Inklusion ein Stück zurück, etwa bei der Zahl der Schulen, an denen gemeinsam gelernt wird, um Schadensbe­grenzung zu betreiben. Das ist bitter, aber auch die Folge zweifelhaf­ter Prioritäte­nsetzung. In der Politik wie in der öffentlich­en Wahrnehmun­g.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany