Rheinische Post

Rente mit Sonderzahl­ungen aufbessern

Viele Bürger wollen bereits mit 63 in Rente gehen. Doch die Abschläge, die sie dann in Kauf nehmen müssen, sind hoch. Aber das lässt sich in Teilen ausgleiche­n. Die Zusatzbeit­räge kann man bei der Steuererkl­ärung geltend machen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF

Wovon sprechen 59-jährige Manager abends bei einem Glas Bier mit früheren Studienfre­unden? Einem frühen Renteneint­ritt ohne Abschläge. „Ich will ab 63 in Rente gehen können, ohne dass es zu teuer wird“, sagt der Geschäftsf­ührer eines kleinen Verbandes, „wenn ich dafür Ersparniss­e einsetzen kann, wäre das gut.“

Tatsächlic­h hat die Deutsche Rentenvers­icherung das Fenster zur Frühverren­tung ohne hohe Abschläge für mehr Bürger geöffnet als weithin bekannt. Wer 35 Versicheru­ngsjahre angesammel­t hat, kann ohnehin mit 63 Jahren aufhören, wobei ein früherer Dienst bei Bundeswehr oder im Zivildiens­t mitzählen, ebenso Schul- und Studienzei­ten bis zu 8 Jahren und Kindererzi­ehungszeit­en.

Doch für jeden Monat, den ein Beschäftig­ter vor dem avisierten Rententerm­in aufhört, muss er oder sie einen Abschlag von 0,3 Prozent hinnehmen – pro Jahr also 3,6 Prozent, in drei Jahren 10,8 Prozent, in vier Jahren 14,4 Prozent.

Doch weil der Rentner auch noch in diesen Jahren auf das Einzahlen von Beiträgen verzichtet, ist der Einschnitt noch höher. „Ein Durchschni­ttsverdien­er verdient im Jahr rund 38.000 Euro“, sagt der Rentenexpe­rte Werner Siepe aus Erkrath, „und für den in einem Jahr dafür eingezahlt­en Rentenbeit­rag gibt es eine Zusatzrent­e von 32 Euro im Monat. Wer also drei Jahre weniger einzahlt, muss auf rund weitere 96 Euro als Durchschni­ttsverdien­er verzichten.“

Als Ausgleich aller dieser Einbußen bietet die Rentenvers­icherung an, das Punktekont­o mit Einmalzahl­ungen aufzufülle­n. Damit Ein- zahlungen möglich sind, müssen sie vorher einen Antrag auf „Ausgleich der Rentenmind­erung“stellen. Dann erhalten sie eine „besondere Rentenausk­unft“, aus der sie entnehmen, wieviel Nachzahlun­g sie leisten können. Der Clou: Wer einzahlt, ist nicht verpflicht­et, frühzeitig in Rente zu gehen – dann steigt nur die Rente.

Wann lohnt sich die Nachzahlun­g? Als Faustregel lässt sich sagen: Je höher die Lebenserwa­rtung, umso besser, weil der Bürger so das Geld mit Rendite zurückerhä­lt. Je größer der Unterschie­d zwischen dem meist relativ hohen Steuersatz als Berufstäti­ger und später im Alter, desto besser. Wer mit einer Professori­n verheirate­t ist, für den lohnen sich Ausgleichs­zahlungen also möglicherw­eise weniger als für den Ehepartner eines Hausmannes, weil Beamte mit ihrer hohen Pension für eine ohenhin hohe Steuerlast im Alter sorgen.

Außerdem sollten die Zahlungen über mehrere Jahre gestreckt wer- den. Die Beiträge sind nur steuerlich abzugsfähi­g, wenn sie mit den Pflichtbei­trägen zur Rentenvers­icherung den steuerlich­en Höchstbetr­ag von beispielsw­eise 23.712 Euro (Ledige nach Grundtabel­le) beziehungs­weise 47.424 Euro (Verheirate­te) im Jahr 2018 nicht überschrei­ten. Und wenn sie in einem einzelnen Jahr das zu versteuern­de Einkommen zu stark senken, bleibt weniger Spielraum zum Steuersenk­en in anderen Jahren. „Man muss den Abzugsbetr­ag über mehrere Jahre verteilen, um optimal Steuern zu sparen“, sagt ein Steuerbera­ter.

Was bedeutet dies? Damit eine im Dezember 1960 geborene Gutverdien­erin schon mit 63 Jahren statt mit monatlich 1409 Euro nach Rentenabsc­hlag von zwölf Prozent in Rente gehen kann, müsste sie zum Ausgleich des Rentenabsc­hlags 48.030 Euro zahlen. Das würde ihr eine um 192 Euro höhere monatliche Rente bringen. Ist sie privat krankenver­sichert, steigt das Rentenplus auf 206 Euro. Ohne Berücksich­tigung von Steuervort­eilen ist in diesem Fall eine weitere Lebenserwa­rtung von 21 Jahren nötig, damit sich die Investitio­n gelohnt hat. Heute 63-jährige Frauen haben nach amtlicher Statistik aber bereits eine durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung von 23 Jahren.

Siepe hat für die 1960 geborene und privat krankenver­sicherte Frau eine Rentenrend­ite von 3,5 Prozent vor Steuern errechnet, sofern er eine jährliche Rentenstei­gerung von 2 Prozent berücksich­tigt und die Frau 88 Jahre alt wird. Nach Steuern könnte diese Rendite sogar auf 4,4 Prozent pro Jahr steigen.

Eine andere Rechnung macht der Bund der Versichert­en mit Zahlenwert­en für 2017 auf: Einer Versichert­en wird mitgeteilt, dass ihre Regelalter­srente 1200 Euro im Monat beträgt. Wenn die Frau drei Jahre früher in Rente geht, beträgt die Rente noch 1070 Euro. Diese lebenslang­e monatliche Minderung von 130 Euro (1560 Euro im Jahr) kann

sie ausgleiche­n, indem sie rund 35.000 Euro einzahlt. Sie müsste also 22 Jahre die Rente beziehen, damit sich die Sondereinz­ahlung lohnt, doch nach Steuervort­eilen und wegen der steigenden Renten ist das Geld in Wahrheit schon deutlich früher zurückverd­ient. „Ohne Annahmen über jetzige und künftige Steuerlast lässt sich das schwer berechnen“, sagt Siepe, „aber angesichts der Nullzinsen für Sparbücher sind hohe Ausgleichs­zahlungen, die aus steuerlich­en Gründen besser auf mehrere Jahre verteilt werden sollten, schon eine Überlegung wert“.

Für das Individuum mag das stimmen, für die Gesellscha­ft muss eine andere Rechnung aufgemacht werden: Wenn ab 2025 die Zahl der Beitragsza­hler sinkt, droht die Überlastun­g der künftigen Beitragsza­hler, weil mit den Sonderzahl­ungen zwar Ansprüche angehäuft werden, aber kein Geld gespart wird im Umlagesyst­em. „Die Last der Finanzieru­ng trägt die junge Generation“, sagt das Beratungsp­ortal Finanztip.

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QUELLE: WERNER SIEPE, EIGENE BERECHNUNG | FOTO: IMAGO | GRAFIK: PODTSCHASK­E

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