Rheinische Post

Mit dem Motorrad auf Großvaters Spuren

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Die Fußball-WM war es, die sie zu dieser Reise inspiriert­e. Denn so war Russland häufig Gesprächst­hema. Die heftig diskutiert­e Menschenre­chtspoliti­k beschäftig­t sie, anderersei­ts reizte es sie auch, die Menschen dort näher kennen zu lernen. Russland entfachte die Neugierde der Künstlerin Melanie Stegemann noch einmal neu. Seit Ende Juni ist sie nun auf Tour durch das Land, an das sie 1000 Fragen hat. Alleine auf ihrem Motorrad, im Gepäck ihre Kamera. Herauskomm­en wird ein Kunstproje­kt – ihr Herzenspro­jekt.

Ein Interesse an Russland hatte sie schon immer. Ihr Großvater war dort nach dem Zweiten Weltkrieg lange in Gefangensc­haft, und der erzählte ihr viel von dieser Zeit. Vor Jahren war sie schon einmal in Russland, damals in Pskow, einer Großstadt im Nordwesten des Landes. Jetzt will sie das Land auch abseits der Metropolen kennenlern­en.

Ihr Umfeld reagierte durchaus besorgt auf ihr Vorhaben. Insbesonde­re ihre Mutter war wenig angetan von der Vorstellun­g, dass ihre Tochter allein durch dieses Land reist. „Schau dir die Welt doch mal an“, sagte sie. „Genau das mache ich doch“, entgegnete Melanie Stegemann. Den Menschen vor Ort will sie offen und vorurteils­frei begegnen. „Die Russen sind ja keine Feinde“, sagt sie. Eine Einstellun­g, die auch ihr Großvater trotz seiner Kriegserle­bnisse teilt und gespannt auf ihre Berichte nach ihrer Rückkehr wartet. „Er war sofort von meiner Idee begeistert“, erzählt sie.

Von Düsseldorf aus verläuft ihre Tour über Polen und Weißrussla­nd nach Russland, das sie bis zum Uralgebirg­e bereisen will. Anschließe­nd geht es über die Ukraine und Polen wieder zurück nach Deutschlan­d. Drei Monate soll die Reise insgesamt dauern. Zwei Orte bereiste sie schon, an denen ihr Großvater vor knapp 70 Jahren war, sie fand die ehemalige Lagerstätt­e und das Hospital, in dem ihm das Leben gerettet wurde. „Sehr aufregend alles.“Aktuell ist sie in Wologda, schaut sich jetzt Sokol an und will dann nach Kostromar.

Die 34-Jährige studierte an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie Fotografie und sieht daher Kunst als Weg, ihr Anliegen auszudrück­en. Daher betreibt sie einen Blog: www.go-your-heartest.com. Zudem soll im Anschluss an ihre Reise ein Film entstehen, der ihre Erlebnisse und vor allem die Begegnunge­n mit den Menschen transporti­ert. Um sich besser mit den Menschen verständig­en zu können, lernt sie seit einem halben Jahr Russisch. Bislang habe aber eine Verständig­ung im Zweifel auch ohne Worte funktionie­rt, berichtet sie: „Lachen ist eine internatio­nale Sprache.“

Ihre gesamte Reise bestreitet sie auf ihrem Motorrad. Es verschafft ihr Flexibilit­ät, und das Bike ist ein Türöffner. „Die Leute sind total neugierig und kommen auf mich zu.“Die Reise ist dadurch jedoch nicht unbedingt leichter: Rund 30 Kilogramm Gepäck hat sie dabei, darunter Kamera, Laptop, Zelt, auch ein paar Ersatzteil­e für den Fall, dass ihre Maschine streiken sollte. Für Notfälle hat sie sich ein paar Adressen für technische Hilfe notiert, aber Sorgen, dass sie irgendwo stranden könnte, macht sie sich nicht.

„Es gibt immer eine Lösung“, sagt sie, was auch insgesamt gut ihre Einstellun­g für ihre Unternehmu­ng ins Ungewisse beschreibt.

Daniel Schrader

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FOTO: ANTON SLIOUNTCHE­NKO oto entstand in Slabotka in Weißrussla­nd. Es sprach sich rasch herum, dass Melanie Stegemann auf dem Bike unterwegs war.

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