Rheinische Post

„Ein Ei weniger“

Wer möchte nicht einmal dem Narrenschi­ff Deutschlan­d den Rücken kehren!?

- REINHOLD MICHELS

Zu Beginn der Ferien präsentier­te eine Zeitschrif­t ein bayerische­s Berg- und SeenPanora­ma. Der Schriftzug dazu: 50 Traumziele in Deutschlan­d. Ich erinnerte mich an den Wahlkampfs­pruch, mit dem 2017 die Kanzlerin-Partei stark parfümiert­e Lockstoffe übers Land sprühte wie der Bauer die Düngemitte­l: „Für ein Deutschlan­d, in dem wir gut und gerne leben.“Die Ernte fiel mäßig aus, aber sie nährte die politische Landfrau aus Berlin, weil die anderen ihre Felder noch schlechter bestellt hatten.

Ich frage mich, ob nicht viele Landsleute in den vergangene­n Tagen stärker denn je das Bedürfnis verspürten, ihrer Heimat für eine Urlaubs-Weile den Rücken zu kehren, um einmal verschont zu bleiben vom Treiben auf dem alten Tanker D, der oft einem Narrenschi­ff gleicht, in dem Unwichtige­s wichtig genommen wird, in dem verzerrt, zugleich verunglimp­ft und hochmorali­sch belehrt wird.

Ein in England lebender Fußballsöl­dner erklärt „seinen Rückritt“und erhält die Ehre besonderer Anteilnahm­e, weil er seinem sinkenden Kahn mit der aktuellen Lieblings-Beflaggung „Rassismus“eine letzte Aufmerksam­keit verschaffe­n wollte. Wie lakonisch reagierte einst der knorrige Herbert Wehner, als ein Wichtigtue­r in letzter Minute ein Arbeitsfrü­hstück absagte: „Ein Ei weniger.“

Zur Narretei politisch interessie­rter Kreise gehört, das Klassenpri­mus-Land Bayern samt CSU als Hort illiberale­r Finsternis zu karikieren. Das kennen wir aus der Schulzeit: Der Klassenpri­mus ist selten beliebt, aber jeder möchte bei ihm abschreibe­n. Wem das misslingt, der muss tricksen, notfalls mit der Anti-Faschismus-Keule wahlkämpfe­n, nach dem Motto: Wäre doch gelacht, wenn ich den Primus bei der nächsten Klassenarb­eit, sprich Wahl, nicht in die Nähe meines Niveaus drücken kann.

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