Das Fest der Lieblingsplatten
Im Dezember gibt es die neue Ausgabe des Lieblingsplatte-Festivals im Zakk. Eröffnet wird es von den Düsseldorfer Punk-Helden Male.
Das Lieblingsplatte-Festival hat zwar erst zweimal stattgefunden, gilt aber bereits als musikhistorisch hochbedeutsam. Gern gesehene deutsche Künstler führen dort jeweils ihre am liebsten gehörten Alben von A bis Z auf, das ist die Idee. Und genau die war der Grund, dass sich die Band Blumfeld, die ja nach ihrer Auflösung im Jahr 2007 an allen Ecken und Enden gefehlt hat, wiedervereinigte. Die Musiker um Jochen Distelmeyer fanden ihren Lieblingsplatte-Auftritt mit dem Album „Ich-Maschine“im vergangenen Jahr nämlich so schön, dass sie einander künftig wieder häufiger sehen wollten und nun also neuerlich gemeinsam musizieren. Umso besser, dass es die Lieblingsplatte auch in diesem Jahr gibt, vom 8. bis 15. Dezember im Zakk.
Miguel Passarge, der Musikchef des Zakk, kuratiert das Festival, und gebucht hat er folgende Künstler und Alben:
Male: „Zensur & Zensur“
Die womöglich einflussreichste Punk-Band Deutschlands kommt aus Düsseldorf. Jürgen Engler, Bernward Malaka und Stefan Schwaab gründeten 1976 eine Band, und 1979 erschien ihre erste und einzige Platte. Es war die erste deutschsprachige Platte überhaupt, und wer sie heute hört, wird verzückt sein, wie frisch die Wut noch ist, die diese Musik nach vorne peitscht. Dieses Album hat alle beeinflusst, die danach kamen, die Fehlfarben ebenso wie die Toten Hosen. Kreidler: „Mosaik 2014“
Gut, dass diese Platte noch einmal aufgeführt wird, dann erkennen hoffentlich noch viel mehr Menschen, wie großartig sie ist. 2009 kam sie heraus, die Band spielte sie in Köln im Atelier der Künstlerin Rosemarie Trockel binnen einer Woche ein. Das ist Instrumentalmusik, in der alles schwebt und umeinanderkreist, und damit sie immer in Bewegung bleibt, trommelt Thomas Klein die Kompositionen voran; manchmal sind das richtige Attacken, die er am Schlagzeug reitet. Energiegeladen und umwerfend ist diese Platte, in der Gegenwart fußend und über sie hinausweisend, mehr Bauch als Kopf und doch noch klug genug. Ein kosmisches Wolkenkuckucksheim ist das, auf Augenhöhe mit internationalen Postrock-Helden wie Tortoise, dabei durchaus eigenständig und stets fest auf der Grundla- ge des Lehrstoffes aus der Düsseldorfer Schule.
Stereo Total: „Musique Automatique“
Chanson, Electro-Pop und Subversion. Das Duo Stereo Total singt auf seinem Album aus dem Jahr 2001 deutsch, englisch, französisch und türkisch, und die Texte handeln von verliebten Robotern und tippenden Sekretärinnen. Charmanter als bei
Françoise Cactus und Brezel Göring aus Berlin hat Subversion selten geklungen. Schönste Zeile: „Mein Gedächtnis hat Löcher, ich weiß nicht mehr genau / Welche Farbe hatten seine Augen? Ich glaube, die waren blau.“
Die Sterne: „Posen“
Mitte der 1990er Jahre waren die Sterne allgegenwärtig; in jeder Konzerthalle traten sie auf, auf je- der Party wurden ihre CDs gespielt. „Posen“von 1996 war das Erfolgsalbum, darauf sind die Hits „Trrrmmer“und „Was hat dich bloß so ruiniert“. Hamburger Schule war das, nicht so flamboyant wie Tocotronic, nicht so belesen wie Blumfeld, aber gut in Sport. Dieses Konzert wird eine Wiederbegegnung, nicht nur mit einer Band und ihrer Platte, sondern auch mit einer Zeit.
Gisbert zu Knyphausen: „Gisbert zu Knyphausen“
Als dieses Debütalbum 2008 erschien, wirkte Gisbert zu Knyphausen zunächst wie ein weiterer trauriger Junge mit Gitarre. Aber bald begriff man: Der sticht heraus. Seine Melancholie hat etwas Optimistisches, seine Alltagsbeschreibungen sind selbstironisch, und er kommt auch nicht aus Hamburg oder Berlin, sondern aus Hessen. Schönste Zeile: „Ich und die Leidenschaft / Was für eine ungewohnte Kombination.“
Ruhrpott AG: „Unter Tage“
Der Coup. Das Lieblingsplatte-Festival holt ja traditionell alte Helden von der guten Seite des deutschen HipHop aus derVergessenheit, man denke an Torch und die Stieber Twins. Nun also RAG, HipHop aus Bochum, 1998. Die Gruppe brachte einen neuen Ton ins Milieu, exquisit statt explizit. Das war Poesie, es ging nicht um Party, sondern um das Leben davor und danach. Das Album „Unter Tage“hört man heute wieder und denkt an keiner Stelle, dass sich seit damals im HipHop aber verflixt viel getan hat.