Rheinische Post

Das Fest der Lieblingsp­latten

Im Dezember gibt es die neue Ausgabe des Lieblingsp­latte-Festivals im Zakk. Eröffnet wird es von den Düsseldorf­er Punk-Helden Male.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das Lieblingsp­latte-Festival hat zwar erst zweimal stattgefun­den, gilt aber bereits als musikhisto­risch hochbedeut­sam. Gern gesehene deutsche Künstler führen dort jeweils ihre am liebsten gehörten Alben von A bis Z auf, das ist die Idee. Und genau die war der Grund, dass sich die Band Blumfeld, die ja nach ihrer Auflösung im Jahr 2007 an allen Ecken und Enden gefehlt hat, wiedervere­inigte. Die Musiker um Jochen Distelmeye­r fanden ihren Lieblingsp­latte-Auftritt mit dem Album „Ich-Maschine“im vergangene­n Jahr nämlich so schön, dass sie einander künftig wieder häufiger sehen wollten und nun also neuerlich gemeinsam musizieren. Umso besser, dass es die Lieblingsp­latte auch in diesem Jahr gibt, vom 8. bis 15. Dezember im Zakk.

Miguel Passarge, der Musikchef des Zakk, kuratiert das Festival, und gebucht hat er folgende Künstler und Alben:

Male: „Zensur & Zensur“

Die womöglich einflussre­ichste Punk-Band Deutschlan­ds kommt aus Düsseldorf. Jürgen Engler, Bernward Malaka und Stefan Schwaab gründeten 1976 eine Band, und 1979 erschien ihre erste und einzige Platte. Es war die erste deutschspr­achige Platte überhaupt, und wer sie heute hört, wird verzückt sein, wie frisch die Wut noch ist, die diese Musik nach vorne peitscht. Dieses Album hat alle beeinfluss­t, die danach kamen, die Fehlfarben ebenso wie die Toten Hosen. Kreidler: „Mosaik 2014“

Gut, dass diese Platte noch einmal aufgeführt wird, dann erkennen hoffentlic­h noch viel mehr Menschen, wie großartig sie ist. 2009 kam sie heraus, die Band spielte sie in Köln im Atelier der Künstlerin Rosemarie Trockel binnen einer Woche ein. Das ist Instrument­almusik, in der alles schwebt und umeinander­kreist, und damit sie immer in Bewegung bleibt, trommelt Thomas Klein die Kompositio­nen voran; manchmal sind das richtige Attacken, die er am Schlagzeug reitet. Energiegel­aden und umwerfend ist diese Platte, in der Gegenwart fußend und über sie hinausweis­end, mehr Bauch als Kopf und doch noch klug genug. Ein kosmisches Wolkenkuck­ucksheim ist das, auf Augenhöhe mit internatio­nalen Postrock-Helden wie Tortoise, dabei durchaus eigenständ­ig und stets fest auf der Grundla- ge des Lehrstoffe­s aus der Düsseldorf­er Schule.

Stereo Total: „Musique Automatiqu­e“

Chanson, Electro-Pop und Subversion. Das Duo Stereo Total singt auf seinem Album aus dem Jahr 2001 deutsch, englisch, französisc­h und türkisch, und die Texte handeln von verliebten Robotern und tippenden Sekretärin­nen. Charmanter als bei

Françoise Cactus und Brezel Göring aus Berlin hat Subversion selten geklungen. Schönste Zeile: „Mein Gedächtnis hat Löcher, ich weiß nicht mehr genau / Welche Farbe hatten seine Augen? Ich glaube, die waren blau.“

Die Sterne: „Posen“

Mitte der 1990er Jahre waren die Sterne allgegenwä­rtig; in jeder Konzerthal­le traten sie auf, auf je- der Party wurden ihre CDs gespielt. „Posen“von 1996 war das Erfolgsalb­um, darauf sind die Hits „Trrrmmer“und „Was hat dich bloß so ruiniert“. Hamburger Schule war das, nicht so flamboyant wie Tocotronic, nicht so belesen wie Blumfeld, aber gut in Sport. Dieses Konzert wird eine Wiederbege­gnung, nicht nur mit einer Band und ihrer Platte, sondern auch mit einer Zeit.

Gisbert zu Knyphausen: „Gisbert zu Knyphausen“

Als dieses Debütalbum 2008 erschien, wirkte Gisbert zu Knyphausen zunächst wie ein weiterer trauriger Junge mit Gitarre. Aber bald begriff man: Der sticht heraus. Seine Melancholi­e hat etwas Optimistis­ches, seine Alltagsbes­chreibunge­n sind selbstiron­isch, und er kommt auch nicht aus Hamburg oder Berlin, sondern aus Hessen. Schönste Zeile: „Ich und die Leidenscha­ft / Was für eine ungewohnte Kombinatio­n.“

Ruhrpott AG: „Unter Tage“

Der Coup. Das Lieblingsp­latte-Festival holt ja traditione­ll alte Helden von der guten Seite des deutschen HipHop aus derVergess­enheit, man denke an Torch und die Stieber Twins. Nun also RAG, HipHop aus Bochum, 1998. Die Gruppe brachte einen neuen Ton ins Milieu, exquisit statt explizit. Das war Poesie, es ging nicht um Party, sondern um das Leben davor und danach. Das Album „Unter Tage“hört man heute wieder und denkt an keiner Stelle, dass sich seit damals im HipHop aber verflixt viel getan hat.

 ??  ?? „Posen“von Die Sterne erschien 1996.
„Posen“von Die Sterne erschien 1996.
 ??  ?? „Mosaik 2014“von Kreidler erschien 2009.
„Mosaik 2014“von Kreidler erschien 2009.
 ??  ?? „Musique Automatiqu­e“von Stereo Total erschien 2001.
„Musique Automatiqu­e“von Stereo Total erschien 2001.
 ??  ?? „Zensur & Zensur“von Male erschien 1979.
„Zensur & Zensur“von Male erschien 1979.
 ??  ?? Das Debüt von Gisbert zu Knyphausen erschien 2008.
Das Debüt von Gisbert zu Knyphausen erschien 2008.
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FOTOS: LABEL „Unter Tage“von der Ruhrpott AG erschien 1998.

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