Wenn Musik und Bild verschmelzen
In der Ausstellung „Stille Post“in der Sittart-Galerie zeigen Studenten wie sich Musik und Bild verschmelzen lassen.
Aus einem Kopf sprießen Fäden, daran hängen Finger. Die Finger spielen auf einem Klavier, lassen Seifenblasen zerplatzen. Der Kopf ist oben offen, wie in einer Schale steht darin Technik. Das Gesicht hat die Augen verbunden, der Mund ist weit aufgerissen, so als würde er schreien. Unten im Bild steht ein Wissenschaftler mit drei Schaltern: Stopp, Zufall und Chaos.
Das Bild ist nicht moderne Kunst, sondern eine Notation – also aufgeschriebene Musik. Eine Notation muss nämlich nicht unbedingt aus den Noten bestehen, wie wir sie kennen: schwarz, rund, auf Linien. Im Gegenteil, Notation könne sehr unterschiedlich aussehen, sagt Lambert Windges, Student am Institut für Musik und Medien der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Die Studenten des Schwerpunktbereichs „Visual Music“stellen gerade in der Sittart-Galerie aus.
Während des Sommersemesters sind die Arbeiten entstanden, das Konzept: Stille Post. Zuerst bekommt jeder Student ein Musikstück zugelost, das bringt er dann in einer Notation auf Papier. Schwarzweiß, damit durch Farben keine emotionalen Interpretationen vorgegeben sind. „Keiner weiß, welche Musik der andere hat“, sagt Katharina Blanken. Die audiovisuelle Kuratorin ist Alumna des Studiengangs für Musik und Medien. Im nächsten Schritt der Stillen Post wird die Notation dann weitergegeben und ein anderer Student komponiert daraus ein neues Musikstück. Schließlich setzt ein weiterer Student die Musik als Album-Cover um.
Es ist schwer zu glauben, dass sich die Stücke bei einer solchen Notationsweise am Ende noch ähneln. Und doch,„es zieht sich ein unsichtbarer Faden durch die Kompositionen“, sagt Blanken. Für die Notation gibt es keine Vorgaben, keine Hilfe, weder für den Studenten, der die Musik notiert, noch für den, der das wieder vertont. Hauptsächlich gebe es drei Notationsweisen: „Das sind die grafische Notation, die musikalische Grafik und Notation durch ein Video“, sagt Windges.
Eine musikalische Grafik ist, wenn man zu Bild bringt, was man hört. Wenn sich die Töne anhören wie zerplatzende Seifenblasen, dann malt man sie auch. Den Bildern, die bei dieser Art der Notation entstehen, sieht man den Charakter des Stückes sehr deutlich an. Eine Collage zeigt viele Menschen, einige schreien, ihre Münder stehen weit offen, ein Affe, ebenfalls mit offenem Mund. Dazu sind Wörter geklebt: „Rausch“und „Flöten“etwa. Es ist ein lautes, wildes Bild.
Die Stimmung der Musik aufgreifen, das kann auch die Notation durch einVideo. Zugschienen, Menschen unterwegs, sich bewegende Hände, alles ist möglich. Welche Instrumente, Tonhöhe oder Rhythmus die Musik hat, kann man höchstens erraten. Solche exakten Informationen vermittelt die grafische Notation. Mit Linien etwa, ausschraffiert mit unterschiedlich dunklem Bleistift, darunter Zahlen wie ein Messband – vielleicht Sekunden? Daraus kann man sich einen Rhythmus zusammenreimen, auch eine Lautstärke, aber nur wenig Stimmung.
Das Einzigartige an „Visual Music“ist die Gleichberechtigung von Musik und Bild, meinen Windges und Blanken. Keines sei dem anderen untergeordnet, anders als bei Filmmusik oder Musikvideos. Ihr Ziel: In der audiovisuellen Kunst Bild und Musik in eins verschmelzen lassen.
Info
„Stille Post: Visual Music“ist von heute bis Sonntag, 29. Juli, jeweils zwischen 15 und 18 Uhr in der Sittart-Galerie des Vereins der Düsseldorfer Künstler, Sittarder Straße 5, zu sehen.