Reporter mit Mission
Die kritische Haltung von Journalisten allem gegenüber geht häufig verloren.
Dieser Tage bekam ich Besuch von einem Journalistik-Professor der New York University. Er untersucht den Zustand des deutschen Journalismus und will herausfinden, warum dieser im Unterschied zum angelsächsischen Journalismus in Zeiten von Trump und AfD eher in Gefahr ist, aktivistische Tendenzen aufzuweisen und eine Nähe zum politischen Betrieb an den Tag zu legen. Es war erst wenige Tage her, dass sich die Kanzlerin in einem Sommerspaziergang namens Pressekonferenz vom Berliner Pressekorps verabschiedet hatte, und nicht nur im Eindruck dieser Veranstaltung fand ich die Fragestellung von Jay Rosen so berech- tigt. Es ist in der Tat seltsam, welches Amalgam aus Aktivismus und Journalismus geduldet wird. Zu den Kolumnisten von Spiegel Online (Spon) etwa gehört eine Autorin, die stets als „Journalistin“firmiert, auch dann, wenn sie von Angela Merkel spontan mit zu einer Pressekonferenz nach einem Integrationsgipfel im Kanzleramt genommen wird – vermutlich, um Horst Seehofer zu ärgern. Tatsächlich aber ist Ferda Ataman als Sprecherin des Netzwerks „Neue Deutsche Organisationen“eine lupenreine Aktivistin. Was nicht schlimm ist, sogar ehrenwert, sich aber nicht mit einer journalistischen Tätigkeit verträgt. Denn Journalismus sollte eine kühle Äquidistanz allem und jedem gegenüber wahren. Auch einer Sache gegenüber, die als gut befunden wird. Das geht nicht, wenn man sich offiziell einer Sache verschrieben hat. Es gab zu Bonner Zeiten einmal eine Interessenorganisation namens Atomforum. Brettharte Kernkraftlobbyisten. Wäre je jemand bei Spon oder sonst wo auf die Idee gekommen, einem von denen eine Kolumne zur Energiewirtschaft zu geben?
Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des „Cicero“und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de