„Penthesilea“und das Nichts
Bei den Salzburger Festspielen wurde jetzt das Kleist-Stück sehr sparsam aufgeführt.
SALZBURG Es gibt bei den Salzburger Festspielen Aufführungen, die sind sündhaft teuer und mehr als das. Zum Ausgleich gibt es Produktionen, bei denen auf radikale Weise Geld gespart wird. Das ist gar nicht so schwer. Man kann Figuren in Theaterstücken einsparen, indem man die Partien streicht. Oder man kann viele Partien von wenigen Schauspielern sprechen lassen. Die Dekoration kann man sehr schlicht halten oder ausfallen lassen (einige Kritiker schreiben dann etwas von „genialer Reduktion“). Und in den Pausen lässt sich das Servicepersonal verringern.
Eine solche Sparmaßnahme ist jetzt die Aufführung von Heinrich von Kleists „Penthesilea“im Landestheater. Alle Figuren werden von zwei Schauspielern verkörpert, ein Bühnenbild gibt es bis auf einen Lichtschlitz ganz vorn eigentlich nicht, die Garderobe ließ sich für eine Summe im zweistelligen Be- reich schneidern. Und weil die Pause gestrichen wurde, kommt man mit weniger Belegschaft etwa im Toilettenbereich aus. Aber der Verzicht auf die Pause hat auch andere Gründe. Ein Regisseur wie Johan Simons – früher Chef der Ruhrtriennale, jetzt am Bochumer Schauspielhaus – fürchtet ja, dass ihm das Publikum einer Produktion in der Pause in Scharen davonläuft.
Für unsereinen bedeutet „Penthesilea“in Salzburg: zwei Stunden harte Arbeit. Sitzen in ungemütlichen Sesseln. Eine alte Boeing 737 hat mehr Beinfreiheit. Auf der Bühne von Johannes Schütz passiert eigentlich nichts. Der Text von Kleist ist allerdings bedeutend, und wenn zwei großartige Mimen wie Sandra Hüller (als Penthesilea und viele andere) und Jens Harzer (als Achilles und viele andere) ihn sprechen, trägt man unermessliche Erbauung davon. Die beiden befinden sich, weil nur sie anwesend sind, im permanenten Belagerungs- oder Zuneigungszustand. Und obwohl alles so leer ist, füllen beide die Bühne grandios aus: mit ihrer Liebe, ihrem Staunen, ihrer Verzweiflung, ihrer Seligkeit, ihrem Furor.
Wie gesagt: zwei Stunden ohne Pause sind ein sehr langes Lied. Nach etwa einer Stunde sind einige im Publikum völlig erledigt und müssen gehen. Wir aber harren aus bis zum Ende – und werden reich beschenkt. Und wirklich stirbt von beiden auch keiner: Leichen sprechen keine Schlussmonologe.