Rheinische Post

„Penthesile­a“und das Nichts

Bei den Salzburger Festspiele­n wurde jetzt das Kleist-Stück sehr sparsam aufgeführt.

- VON WOLFRAM GOERTZ

SALZBURG Es gibt bei den Salzburger Festspiele­n Aufführung­en, die sind sündhaft teuer und mehr als das. Zum Ausgleich gibt es Produktion­en, bei denen auf radikale Weise Geld gespart wird. Das ist gar nicht so schwer. Man kann Figuren in Theaterstü­cken einsparen, indem man die Partien streicht. Oder man kann viele Partien von wenigen Schauspiel­ern sprechen lassen. Die Dekoration kann man sehr schlicht halten oder ausfallen lassen (einige Kritiker schreiben dann etwas von „genialer Reduktion“). Und in den Pausen lässt sich das Serviceper­sonal verringern.

Eine solche Sparmaßnah­me ist jetzt die Aufführung von Heinrich von Kleists „Penthesile­a“im Landesthea­ter. Alle Figuren werden von zwei Schauspiel­ern verkörpert, ein Bühnenbild gibt es bis auf einen Lichtschli­tz ganz vorn eigentlich nicht, die Garderobe ließ sich für eine Summe im zweistelli­gen Be- reich schneidern. Und weil die Pause gestrichen wurde, kommt man mit weniger Belegschaf­t etwa im Toilettenb­ereich aus. Aber der Verzicht auf die Pause hat auch andere Gründe. Ein Regisseur wie Johan Simons – früher Chef der Ruhrtrienn­ale, jetzt am Bochumer Schauspiel­haus – fürchtet ja, dass ihm das Publikum einer Produktion in der Pause in Scharen davonläuft.

Für unsereinen bedeutet „Penthesile­a“in Salzburg: zwei Stunden harte Arbeit. Sitzen in ungemütlic­hen Sesseln. Eine alte Boeing 737 hat mehr Beinfreihe­it. Auf der Bühne von Johannes Schütz passiert eigentlich nichts. Der Text von Kleist ist allerdings bedeutend, und wenn zwei großartige Mimen wie Sandra Hüller (als Penthesile­a und viele andere) und Jens Harzer (als Achilles und viele andere) ihn sprechen, trägt man unermessli­che Erbauung davon. Die beiden befinden sich, weil nur sie anwesend sind, im permanente­n Belagerung­s- oder Zuneigungs­zustand. Und obwohl alles so leer ist, füllen beide die Bühne grandios aus: mit ihrer Liebe, ihrem Staunen, ihrer Verzweiflu­ng, ihrer Seligkeit, ihrem Furor.

Wie gesagt: zwei Stunden ohne Pause sind ein sehr langes Lied. Nach etwa einer Stunde sind einige im Publikum völlig erledigt und müssen gehen. Wir aber harren aus bis zum Ende – und werden reich beschenkt. Und wirklich stirbt von beiden auch keiner: Leichen sprechen keine Schlussmon­ologe.

 ?? FOTO: BARBARA GINDL ?? Schauspiel­erin Sandra Hüller als Penthesile­a.
FOTO: BARBARA GINDL Schauspiel­erin Sandra Hüller als Penthesile­a.

Newspapers in German

Newspapers from Germany